Broken Hearts
Vierzehn Jahre lang wurde Silberrücken IVO im Berliner Zoo zur Schau gestellt. 2005 war der 1988 im Münchner Tierpark Hellabrunn geborene Gorilla, den man als erst in den Loro-Park auf Teneriffa und später dann in den Zoo Amsterdam verschubt hatte, an den „Hauptstadtzoo“ verhökert worden, um dort für publikumswirksamen Nachwuchs zu sorgen. Seit sich bei einer medizinischen Untersuchung IVOs Zeugungsunfähigkeit herausgestellt hatte, stand er auf dem Abschiebegleis. Eine große Berliner Tageszeitung forderte Zoodirektor Knieriem auf, schnellstmöglich Ersatz für die „peinliche Luftpumpe“ [sic!] zu besorgen. Anfang 2019 nun wurde der mittlerweile 31jährige IVO an den Zoo Saarbrücken abgeschoben, wo man ihn in eines der dortigen Bunkerabteile steckte, zu einer Gruppe älterer und nicht mehr fortpflanzungsfähiger Artgenossinnen, die ihrerseits aus verschiedenen Zoos zusammengewürfelt worden waren. Was es für IVO bedeutete, gewaltsam aus seiner Familie herausgerissen und an einem fremden Ort mit fremden älteren Gorillafrauen zwangsvergesellschaftet zu werden – und was es für diese bedeutete -, bekümmerte niemanden; zumal man bereits einen Nachfolger für ihn in petto hatte: den 14jährigen SANGO aus dem westfranzösischen Affenzoo Valle des Singes. Auch er war aus seiner gewachsenen Bezugsgruppe herausgerissen worden – zudem aus einer für Zooverhältnisse nachgerade vorbildlichen Haltung auf einer dichtbewaldeten Insel -, um nach kurzer Zwischenstation in einem belgischen Privatzoo nach Berlin verfrachtet zu werden. Eingesperrt hinter Panzerglas und auf nacktem Betonboden soll er nun schnellstmöglich Gorillanachwuchs produzieren.
Nicht selten ertragen gerade Menschenaffen den ungeheueren Stress nicht, gewaltsam aus ihren Familien herausgerissen zu werden. Sie erleiden eine akut einsetzende Funktionsstörung des Herzmuskels (Broken-Heart- oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathie), die mit lebensbedrohlichen Komplikationen einhergehen kann. Den Zoos ist das egal: stirbt ein Tier aufgrund der ständigen Hin- und-Herschieberei, bestellt man sich einfach ein neues. (CG)
TIERBEFREIUNG #103/Juli 2019