Schwabenpark

"Der Park für die ganze Familie"

Einen Sonderfall in der Schnittmenge zwischen Zirkus und Zoo stellt der sogenannte Schwabenpark Welzheim bei Stuttgart dar, ein Freizeitpark mit Achterbahnen und sonstigen Fahr- und Amusementbetrieben. Der Park hält bis heute und völlig legal eine größere Schimpansengruppe vor - tatsächlich die größte in Europa mit 43 Tieren -, deren regelmäßig nachgezüchtete Jungtiere in einem hauseigenen Zirkusprogramm eingesetzt werden. Der "Schwabenpark" entzieht sich den Maßgaben der Zirkusleitlinie mit dem Argument, diese bezögen sich nur auauf "reisende" Unternehmen, zu denen man als Amusementpark nicht zähle.

 

In täglich bis zu drei Vorführungen müssen sechs bis acht der Schimpansen andressierte Lachnummern vorführen.  Die Tierrechtsorganisation PeTA wirft den Parkbetreibern vor, die Schimpansen als „Kassenmagnet” zu missbrauchen. Sie stelle sie in einer entwürdigenden und erniedrigenden Art zur Schau und untergrabe damit alle modernen Moralvorstellungen wie auch Arten- und Tierschutzziele. Kindern werde ein völlig falsches Bild von Menschenaffen vermittelt.

 

In einer 10-monatigen Undercover-Recherche (4/12-2/13) dokumentierte die Tierrechtsorganisation Animal Equality die massiert auftretenden Verhaltens-auffälligkeiten und Symptome psychischer Störungen bei den Schwabenpark-Schimpansen.  In umfangreichem Foto- und Videomaterial wurden die katastrophalen Verhältnisse sowohl in der Haltung bzw. Unterbringung als auch der zirzensischen Dressur der Schimpansen (und anderer im Park vorgehaltener Tiere) belegt.

Lachnummer mit Schimpanse PAD

Die als Gutachterin beigezogene Psychologin Stacy Lopresti-Goodman von der Marymount University in Arlington/USA, die sich seit Jahren mit der Rehabilitation von Schimpansen aus Zirkus-, Zoo- und Laborhaltung befasst, sieht die Ursachen dieser Störungen in der Trennung der Schimpansenbabies von ihren Müttern, in den unzureichenden Unterbringungsverhältnissen, denen jede kognitive Bereicherung fehlt, in der Konditionierung auf widernatürliches Verhalten und in der andauernden Präsenz von Menschen sowieder ständigen Interaktion mit ihnen.Interessant sind auch die Beobachtungen des renommierten Verhaltensbiologen Marc Bekoff von der University of Colorado, dessen Beurteilung zufolge zwischen den Tieren und den Parkbetreibern, die zugleich als "Tiertrainer" tätig sind, „düstere und von Missbrauch gezeichnete Beziehung“ zu erkennen sei („It is clear that there is a dark and abusive relationship between the animals and their ‘caregivers’ at the facility“). Schimpansen, die darauf dressiert würden, unnatürliche und entwürdignde Tricks vorzuführen, leisteten den Menschen „nur unter Zuhilfenahme von Bestrafungen, Dominanz und Isolation“ Folge. Konsequenterweise ruft Bekoff dazu auf, „diese trostlose Einrichtung zu boykottieren („I urge the public to boycott this dismal facility“). Weitere Gutachten international anerkannter Experten fallen für den Schwabenpark nicht weniger verheerend aus. Zusammenfassend fordern die Aktivisten von Animal Equality, die Schimpansen in ein nicht-kommerzielles, nicht-züchtendes Reservat zu verbringen, wo sie ihre verbleibende Lebenszeit verbringen können, ohne ständig von Besuchern begafft und/oder in entwürdigenden Zirkusshows ausgebeutet zu werden. Sofern sie in bestehenden Reservaten, wie etwa dem Schutzgebiet von Stichting AAP in Spanien, aus Platzmangel nicht aufgenommen werden könnten, seien entsprechende Refugien einzurichten, deren Kosten diejenigen zu tragen hätten, die für die tragische Situation der Schimpansen verantwortlich seien: der Schwabenpark selbst wie auch die öffentliche Hand (Gemeinde, Land, Bund), deren Repräsentanten die Ausbeutung der Tiere über Jahrzehnte hinweg zugelassen haben. Gegen einen Weiterbetrieb des Schwabenparks ohne Tiere bestehe keinerlei Einwand.

Schuhplattln mit Sepplhut

Vor dem Hintergrund massiver öffentlicher Kritik an der Schimpansenhaltung des Schwabenparks und drohender behördlicher Auflagen zu zahlenmäßiger Rückführung des Tierbestandes wurden im Frühjahr 2012 vier Tiere an den „Arche Noah-Park“ Grömitz abgegeben. Zudem hat der  Schwabenpark zur Saison 2013 einige Klettergerüste und Futter-/Labyrinthkästen in die Freigehege eingebaut, dazu wurden einige der besonders entwürdigenden Elemente der Schimpansenshow gestrichen. An den katastrophalen Unterbringungsverhältnissen in den Innenkäfigen hat sich nichts geändert.

 

Die Forderung nach Absetzung der Shows wird von der Parkleitung seit je zurückgewiesen: keines der Tiere sei verhaltensgestört, keines werde ausgebeutet. Unterstützung erhält der seit 1972 bestehende und aus Steuergeldern subventionierte Park traditionell durch das zuständige Landratsamt.

 

Nachtrag: Laut Mitteilung der Parkbetreiber von August 2012 sollen sämtliche gebärfähigen Schimpansinnen Verhütungsimplantate eingesetzt bekommen, so dass es „Nachwuchs im Schwabenpark in Zukunft nicht mehr geben“ werde. Die Shows sollen gleichwohl fortgesetzt werden, Parkbetreiber Hudelmeier beruft sich dabei, unterstützt von lokalen Politikern, die um Gewerbesteuereinnahmen bangen, ausdrücklich auf Bestandsschutz. Ein Mitte September 2012 im Auftrag der baden-württembergischen Landesregierung erstelltes Gutachten bestätigt die unzureichende Grundfläche der Innengehege – die (in sich völlig ungenügenden) Minimalbestimmungen des bundesministeriellen Säugetiergutachtens von 1996 werden in den sechs Abteilen um Größenordnungen zwischen 41 und 84 Prozent [!] unterschritten - sowie die mangelnden Kletter- und Rückzugsmöglichkeiten; die Einrichtungen zum Tiermanagement seien unzulänglich, es gebe weder Sicherheitsschleusen noch existiere ein Notfallplan; auch eine Quarantäne- bzw. Krankenstation gebe es nicht. Die geübte Praxis der „Handaufzuchten“ wird nachdrücklich kritisiert, ebenso die isolierte Haltung von Schimpansenkindern in einer völlig unzureichenden Bretterbude. Gleichwohl vermochte der als „Gutachter“ beigezogene Tierpfleger Jan Vermeer, vormals Betreiber eines Affenzoos in Frankreich sowie Pächter des 2011 pleitegegangenen ZooPark Metelen bei Münster, keine Verhaltensstörungen bei den Schimpansen erkennen (was weiter nicht verwundert, da er selbst äußerliche Läsionen großzügig übersah). Bei den Showvorführungen werde seinem Eindruck zufolge kein Zwang ausgeübt, den, wie er in völliger Verkennung einschlägiger Dressurpraktiken behauptet, sich größere Tiere auch gar nicht gefallen ließen („Especially the larger animals would not accept any pressure from the trainers...“). Die entscheidende Frage, ob die Tiere durch die Teilnahme an den Shows (psychischen) Schaden nähmen, lässt er offen. Hinsichtlich der Frage, ob die Shows aus ethischer Sicht überhaupt (noch) vertretbar seien, schreibt er: „Ich denke nicht, dass es im Jahre 2012 noch ethisch ist, eine Show mit Menschenaffen zu zeigen, die tanzen, auf einem Dreirad fahren, Tennis oder Basketball spielen. (...) Tiere in einer Art zu zeigen, wie der Schwabenpark dies tut, ist für sie entwürdigend und zeigt in keiner Weise, wie großartig und intelligent sie sind, und wie ähnlich uns Menschen. Die Shows reduzieren die Schimpansen zu Clowns, eingesetzt zum Vergnügen der Menschen.“ Die Shows sollten beendet bzw. ersetzt werden durch Darbietungen mit „Bildungscharakter“. Im Übrigen, so Vermeer, solle der Schwabenpark behördlich verpflichtet werden, seinen Tierbestand weiter zu reduzieren (sprich: eine signifikante Zahl an Schimpansen an akzeptable andere Zoos abzugeben) und konsequent auf Nachzucht zu verzichten (wofür seitens des Parks bislang nur unverbindliche Absichtserklärungen vorliegen). Für die verbleibenden Tiere solle bis zur Saison 2018 [!] sichergestellt werden, dass die (völlig unzureichenden) Anforderungen des bundesministeriellen Säugetiergutachten von 1996 zu Größe und Ausstattung der Innengehege erfüllt würden.  Ob und in welcher Form dem Schwabenpark auferlegt wird, die festgestellten Mängel zu beseitigen, blieb völlig offen.

Weiter katastrophale Unterbringung

Aktueller Stand der Dinge

 

Die Schimpansenshows wurden - geringfügig modifiziert - fortgesetzt. Zu Beginn der Saison 2017 teilte der Schwabenpark überraschend mit, hinfort auf die Schimpansenauftritte verzichten zu wollen, die gleichwohl die ganze Saison über weiterhin stattfanden.  Erst zu Beginn der Saison 2018 zeigte sich, dass die Schimpansenshows nunmehr in der Tat ingestellt worden waren: der bisherige Zirkusbau war während der Winterpause zu einer Art Geisterschloß umgebaut und umdekoriert worden. Die Schimpansen - derzeit 37 Tiere (10/2019) - werden gleichwohl weiterhin in Drahtgitterkäfigen zur Schau gestellt, Tag für Tag dem Gejohle und Geschrei vorbeilärmender Kinderhorden ausgesetzt.

 

Schon seit 2017 sucht der Schwabenpark nach Abnehmern für einzelne seiner Schimpansen, die jahrzehntelang für die Schauauftritte "gezüchtet" worden waren. Die Vermittlungschancen innerhalb Europas tendieren gegen Null.

 

Die Unterbringungsverhältnisse der Schimpansen sind, vor allem während der Winterzeit, in der der Park geschlossen ist, nach wie vor als katastrophal zu werten.