Zoo Dresden
"Swingen und Schwofen bei den wilden Tieren"
Schon zu Beginn der 1850er Jahre kursierten erste Ideen zur Einrichtung eines Zoologischen Gartens in Dresden. Mit Unterstützung des sächsischen Königshauses wurden diese Ideen in die Tat umgesetzt, so dass im Jahre 1861 eine entsprechende Anlage eröffnet werden konnte. Der Dresdner Zoo zählt insofern zu den vier ältesten Zoos Deutschlands.
Von Beginn an wurden im Dresdner Zoo neben heimischen Wildtieren auch zahlreiche Exoten gezeigt, der Schwerpunkt lag indes seit je auf Affen, insbesondere auf Großen Menschenaffen. Zu den ersten Gehegebauten zählte ein beheizbares „Affenhaus“, in dem neben einer Reihe an Neuweltaffen ab 1873 auch eine erste Schimpansin untergebracht wurde. Es folgten Ankäufe weiterer Schimpansen, auch zweier Orang Utans, die allesamt nach kurzer Zeit starben. Erst Schimpanse Fritz, der 1888 in den Zoo kam, blieb etwas länger am Leben. Zur Belustigung des Publikums musste er eine Uniform tragen und im Stechschritt auf und abparadieren; nach seinem Tod 1890 wurde er ausgestopft und mit geschultertem Gewehr im Affenhaus ausgestellt.
In den Folgejahren wurden zahlreiche weitere Schimpansen angekauft, durchwegs Kleinkinder, die von Tierhandelsfirmen wie Hagenbeck oder Ruhe nach Europa verschifft worden waren. 1898 kam ein junger Orang Utan dazu. Ab Mitte der 1920er suchte der Zoo eigene „Zuchtlinien“ aufzubauen: in kurzer Abfolge wurden zu diesem Zweck sechs Orang Utans, zwei Gorillas und zwei Schimpansen eingekauft. Tatsächlich stellte sich sowohl bei den Schimpansen als auch bei den Orang Utans Nachwuchs ein. Der seinerzeitige Zoodirektor Gustav Brandes (1862-1941) erlangte mit der minutiös dokumentierten Aufzucht eines Orang Utan-Babies namens Buschi in der Zoowelt enorme Bekanntheit: er galt hinfort als „führender Spezialist auf dem Gebiet der Orang Utan-Forschung“. Buschi, zur Welt gekommen 1927, starb 1940. (Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle, dass Gustav Brandes sich kurz nach der “Machtergreifung“ der Nazis offensiv zu diesen bekannte: er zählte er zu den Unterzeichnern des sogenannten „Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ vom 11. November 1933. Gleichwohl wurde ein im Juli 2010 eröffnetes „Tropenhaus“, dessen Baukosten in Höhe von 7 Mio Euro in erster Linie der Steuerzahler zu tragen hatte, nach ihm benannt. Ein Hinweis auf Brandes‘ Bekenntnis zu Hitler und Nazi-Staat fehlt. Stattdessen steht neben dem „Tropenhaus“ bis heute eine Ehrenstele für ihn, auf der er zusammen mit Orang Utan-Baby Buschi abgebildet ist.)
Rassistische Völkerschauen
Seit je verstand der Dresdner Zoo sich ausdrücklich als Kultureinrichtung. Schon 1875 wurde auf dem Zoogelände ein Musikpavillon eingerichtet, in dem regelmäßig Platzkonzerte stattfanden. Kurz darauf wurde ein mondänes „Konzert- und Gesellschaftshaus“ errichtet, das den Zoo bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges in den gesellschaftlichen Mittelpunkt der sächsischen Residenzstadt rückte. Für die neuerbauten Tierhäuser entwickelten die Zooarchitekten eine wilde Mixtur aus indischen, türkischen, arabischen und sonstig „exotischen“ Stilelementen. So wurde etwa 1888 ein neues Affenhaus im Stile einer maurischen Karawanserei errichtet. Die Zooarchitektur bediente nicht nur bürgerlich-romantische Klischees, vielmehr demonstrierte sie symbolhaft den Anspruch des Deutschen Kaiserreichs, zur kolonialen Großmacht aufzusteigen.
Schon ab 1878 wurden nach dem Vorbild der „Völkerschauen“ Carl Hagenbecks neben exotischen Tieren auch „exotische Menschen“ gezeigt. In entsprechenden Kulissenlandschaften wurden, wie die Zoochronik vermeldet, „ Indianer und Beduinen, Schwarzafrikaner und Singhalesen, Pagatonier und Aborigines“ präsentiert, allein bis zur Jahrhundertwende gab es mehr als dreissig solcher kulturchauvinistischen und teils offen rassistischen Darbietungen. Abwechselnd mit der Präsentation „exotischer Menschen“ (für die ab 1910 Brandes verantwortlich war und die erst 1934 eingestellt wurde) gab es Wildwest-Shows und jedwede sonstige Form von Zirkus- und Rummelplatzattraktionen, einschließlich des Auftrittes sogenannter „Liliputaner“. (Trivialschriftsteller Karl May ließ sich von den „Völkerschauen“ im Dresdner Zoo für seine frei zusammenphantasierten „Reiseerzählungen“ inspirieren.) Besonderes Interesse zog die aus Siam oder Burma stammende „Affenfrau“ Krao Farini auf sich, die 1889 in einer eigenen Schau vorgezeigt wurde: die am ganzen Körper behaarte junge Frau - sie litt an angeborener Hypertrichose - wurde als „Verbindungsglied zwischen Affe und Mensch“ angepriesen.
Schwerpunkt Menschenaffenhaltung
Ab 1933 erfuhr der Zoo massive Förderung durch die neuen Machthaber. Neben Oberbürgermeister Ernst Zörner (NSDAP) setzte sich „Reichsjägermeister“ Hermann Göring höchstpersönlich für den Ausbau ein. Auf ausdrückliche Anordnung Görings musste der Zoo auch nach Kriegsbeginn 1939 geöffnet bleiben; insbesondere die täglichen Shows mit einem dressierten Schimpansen namens Pit mussten fortgesetzt werden. Bei Bombenangriffen im Februar 1945 wurde der Zoo fast völlig zerstört; die wenigen Tiere, die das Inferno überlebten, wurden von Zoowärtern erschossen: der Dresdner Zoo existierte nicht mehr.
Kurz nach Kriegsende schon wurde indes die Wiederherstellung des zerstörten Geländes in Angriff genommen, so dass im Mai 1946 mit überlassenen Tieren aus anderen Zoos die Wiedereröffnung gefeiert werden konnte. Rasch nahm der Zoo wieder Gestalt an, als eine der ersten Neuerwerbungen wurden 1951 zwei Schimpansenkinder gekauft (die, da man keine Unterkunft für sie hatte, die ersten Jahre im Hause des seinerzeitigen Zoodirektors lebten und nur stundenweise mit einem Kinderwagen durch den Zoo gefahren wurden). 1959 kamen Orang Utans dazu, 1961, im Jahr der 100-Jahr-Feier des Zoos, auch Gorillas. Mangels geeigneter Gehege wurden die Menschenaffen in provisorisch eingerichteten Abteilen des Elefanten- bzw. Raubtierhauses untergebracht wurden, wo sie die folgenden Jahrzehnte auch verblieben. Der geplante Neubau eines Menschenaffenhauses wurde nie realisiert. Erst 1985 wurde ein - provisorisches - Orang Utan-Haus errichtet, in dem seither zwei „Zuchtgruppen“ untergebracht sind. Die Haltung von Gorillas und Schimpansen ließ man auslaufen, mit der Abschiebung des letzten Gorillas im Jahre 1995 an einen Zoo in Mexiko war sie beendet.
Der Dresdner Zoo versteht sich als „kinderfreundlichster Zoo Deutschlands“. Als solcher hält er nicht nur verschiedene Abenteuerspielplätze und den üblichen „Streichelzoo“ vor, vielmehr gibt es seit 1997 einen „Zoo unter der Erde“ mit Ratten, Salamandern, Höhlengrillen und anderen „die Dunkelheit liebenden Tieren“, den die Kinder über eine Rutsche erreichen und über eine Treppe wieder verlassen können. Es werden „kindgerechte“ Schaufütterungen durchgeführt, zudem gibt es Ponyreiten, eine Parkeisenbahn sowie eine Puppenbühne, auf der ein „Zookasper“ mehrmals am Tag „lustige Tiergeschichten“ präsentiert. Selbstverständlich werden Kindergeburtstage ausgerichtet (bei denen den Kindern nach einem geführten Rundgang durch den Zoo wahlweise „Chicken Nuggets“, „Fischstäbchen“ oder „Wiener Würstchen“ serviert werden). Für Erwachsene finden klassische Konzerte im Zoo statt, als Highlight gilt ein alljährlich veranstaltetes „Dixieland-Festival“, bei dem mehrere Bands dazu einladen, „zwischen Elefanten, Pinguinen und Löwen zu swingen und zu schwofen.“
Indiskutable Käfige
Auch wenn nach der „Wende“ eine Menge (Steuer-)Geld in den Um- und Neubau von Gehegeanlagen investiert wurde, weist der Dresdner Zoo immer noch eine Vielzahl indiskutabler Käfige aus den 1960er und 70er Jahren auf: Eulen und Uhus etwa vegetieren in winzig kleinen, verrosteten Uraltvolieren vor sich hin. Und selbst mit Millionenaufwand neuerstellte Anlagen wie etwa das 2008 eröffnete Giraffenhaus bieten den Tieren nicht ansatzweise genügend Platz.
Das Dresdner „Orang-Utan-Haus“, in dem derzeit sieben Tiere in zwei „Zuchtgruppen“ untergebracht sind, stammt aus dem Jahr 1985 und war ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht. Auch wenn im Jahre 2005 Umbau- und Instandhaltungsmaßnahmen daran durchgeführt wurden, macht es nach wie vor den Eindruck eines notdürftigen Provisoriums. Die insgesamt vier Gehegeabteile weisen eine Grundfläche von je etwa 25qm und eine Höhe von 4m auf, zur Besucherseite hin sind sie mit Panzerglasscheiben, zur Rückseite und Decke hin mit Eisengittern begrenzt; die Seiten- bzw. Trennwände sind mit Bambus bzw. Kunstfelsen kaschiert, der Boden besteht aus nacktem Beton. Parallel zu den rückwärtigen Gittern verläuft ein Versorgungskorridor, der, vom Besuchergang aus teilweise einsehbar, die Gehege größer erscheinen läßt, als sie tatsächlich sind. Die bunkerartigen Abteile sind mit Dachluken versehen, über die sie etwas Tageslicht erhalten; zusätzlich werden sie mit Neonlicht erhellt. Fenster gibt es nicht. An Einrichtung finden sich die zooüblichen Klettergerüste aus Holz bzw. Edelstahl sowie ein paar an der Decke befestigte Seile. Sonstiges Spiel- oder Beschäftigungsmaterial gibt es nicht.
Der an den Gehegen entlangführende Besuchergang ist zur Erzeugung von „Urwaldatmosphäre“ mit Rindenmulch ausgelegt, zudem ist er mit Bambus verkleidet und mit ein paar künstlichen Feigenbäumen ausgestattet. Die Decke ist teilweise mit Schilfmatten abgehängt, was wohl irgendwie „indonesisch“ wirken soll; dem gleichen Zweck sollen offenbar Phototapeten mit Regenwaldbildern dienen, mit denen die Panzerglasscheiben der Gehege zur Besucherseite hin großflächig beklebt sind. All diese Deko-Bemühungen können indes den heruntergekommenen Zustand des Hauses nicht kaschieren. Es versteht sich, dass die Unterbringung der Orang Utans im Dresdner Zoo den bundesministeriellen Vorgaben von 2014, über die die Haltungsbedingungen von Säugetieren in Zoos reglementiert werden, eklatant zuwiderläuft: für die beiden „Zuchtgruppen“ wäre gemäß dieser Vorgaben eine - in sich völlig ungenügende - Mindestgehegefläche von 320qm sowie eine Gehegehöhe von 6m erforderlich. Auch die vorgeschriebenen Sichtblenden bzw. Rückzugs- und Ausweichmöglichkeiten gibt es nicht. Die Orang Utan-Haltung im Dresdner Zoo muß zu den übelsten Qualhaltungen von Orang Utans außerhalb Asiens gerechnet werden.
1995 wurde für die Orang Utans eine „Außenanlage“ erstellt, die es bis dahin nicht gab. Sie besteht aus zwei zusammenhängenden und insgesamt etwa 250qm umfassenden Gitterkäfigen. Ausgestattet sind die Käfige mit Naturboden sowie den üblichen Totholzstämmen und Kletterseilen. Die beiden „Zuchtgruppen“ dürfen die Außenkäfige bei trockenem und warmem Wetter für jeweils ein paar Stunden pro Tag nutzen. Tatsächlich verbringen sie mehr als 90 Prozent ihrer Lebenszeit in den extrem beengten „Innengehegen“.
Zoo-Zynismus
Das Orang-Utan-Haus des Dresdner Zoos wurde 2005 mit interaktiven Infotafeln bestückt, auf denen Wissenswertes und durchaus Richtiges über Orang Utans zu lesen steht, insbesondere über ihren gemeinsamen Stammbaum mit den Menschen und ihre große Ähnlichkeit zu diesen.
Auf einer der Tafeln sind fünf Thesen aufgeführt:
1. Respekt vor dem Orang-Utan als Geschöpf: Orang-Utans gehören zu unseren nächsten Verwandten. Sie empfinden Schmerz und Trauer wie wir – sie verdienen unsere Achtung und unseren Respekt.
2. Mitleid mit dem Mitgeschöpf: Unter nicht artgerechter Haltung leiden Tiere körperlich wie seelisch. Besonders für sozial hochentwickelte Tiere wie Menschenaffen ist das Entreißen von ihren Artgenossen und das Verpflanzen in eine fremde und unnatürliche Umgebung qualvoll. (...)
3. Schutz einer faszinierenden Art: Für jeden in Indonesien gefangenen Orang-Utan musste ein Vielfaches an Artgenossen sterben (...)
4. Lernen von unseren behaarten Brüdern: Wir wissen noch längst nicht alles über Orang-Utans. Die Erforschung ihres Verhaltens kann uns auch viel über unsere eigene Herkunft und unser Wesen erzählen. (…)
5. Botschafter des Regenwaldes: Orang-Utans sind ein Flaggschiff für ihr Biotop, den Regenwald. Als Charaktertiere und Sympathieträger halten sie das Interesse am Regenwaldschutz wach. Entwürdigende Zurschaustellung schadet diesem Anliegen.
Angesichts der extrem beengten Unterbringung der Orang Utans in den selbst nach zoointernen Standards viel zu kleinen und viel zu niedrigen Bunkerabteilen des Dresdner Zoos klingt die Thesensammlung wie bitterer Hohn. Umsomehr die Information auf einer anderen Tafel:
Leben in den Wipfeln: Orang-Utans verbringen beinahe ihr gesamtes Leben im Kronenbereich der Urwaldbäume. Hier finden sie Nahrung, Partner, Schutz und Schlafplätze. Ihr gesamter Körperbau ist auf diese Lebensweise angepasst.
Tatsächlich hocken die Orang Utans im Dresdner Zoo auf nacktem Betonboden herum und langweilen sich zu Tode. Die anschauliche Beschreibung ihres Lebens in Freiheit, nachzulesen an den Wänden des Gefängnisses, in dem sie ihr Leben lang einsitzen, ist an Zynismus kaum zu überbieten.
Colin Goldner
Tierbefreiung #90, März 2016
Nachtrag 1: Am 27.1.2017 wurde der Zoo Dresden vom Great Ape Project mit dem Negativ-Award „Schlimmste Orang Utan-Qualhaltung in einem europäischen Zoo“ ausgezeichnet.
Als Reaktion verlautbarte der Zoo, zeitnah ein neues Orang Utan-Haus erstellen zu wollen. Tatsächlich passierte drei Jahre lang überhaupt nichts, bis auf den Umstand, dass der Zoo in einer großangelegten Kampagne versuchte, Spendengelder einzuwerben.
Nachtrag 2: Vor dem Hintergrund der Brandkatastrophe im Zoo Krefeld am 1.1.2020 wurde die Forderung nach Um- bzw. Neubau des maroden Dresdner Menschenaffenhauses erneut aufgegriffen; nicht zuletzt von BILD (6.1.2020)
Gegen Ende 2020 verdichteten sich die Pläne des Zoos für einen Neubau. Anfang 2021 wurden konkrete Pläne vorgestellt. Von ursprünglich veranschlagten 8 Mio waren die Kosten auf (vorläufig) 17 Mio Euro angewachsen. Für 12 Mio ist eine Bürgschaft der Stadt Dresden vorgesehen. Baubeginn soll Sommer 2021 sein, Fertigstellung Herbst 2023.
Gleichzeitig erhob sich massiver Widerstand gegen den Neubau: vgl. Keine Steuern für Tierleid! Zoo Dresden will neues Affenhaus (PeTA) oder: Kein neues Affenhaus (Piraten)
Eine endgültige Abstimmung des Stadtrates ist für Anfang Mai 2021 anberaumt.
Anlässlich des in den Medien großaufgezogenen Jubiläums zum 150jährigen Bestehen des Dresdner Zoos im Jahre 2011 veröffentlichte die Ortsgruppe der Tierbefreier ein vernichtendes Dossier. Unter dem Titel „Der Dresdner Zoo: Zynismus in Reinform oder die Lobpreisung der Schande“ werden darin all die Lügen und Verbrechen der Institution „Zoo“ aufgelistet: von der strukturellen Grausamkeit und Gewalt gegen die gefangengehaltenen Tiere über den illegalen Tierhandel hin zur massenverdummenden Augenwischerei angeblich „artgerechter Tierhaltung“. Siehe: Tierbefreiung #71