Gut Aiderbichl

Michael Aufhauser u. Jane Goodall

Affenrefugium Gänserndorf bei Wien 

 

Am 6. September 2011 stellte Michael Aufhauser, Begründer des Tierschutzzentrums „Gut Aiderbichl“ der Öffentlichkeit sein neuestes Projekt vor: das „Affenrefugium Gänserndorf“ bei Wien.

 

Ex-Tourismusmanager Aufhauser (59), der mit seinem Aiderbichl-Konzept, notleidende Tiere aufzunehmen, um sie anschließend mitleidstouristisch zu vermarkten, mittlerweile ein Imperium von zwanzig „Gnadenhöfen“ in Österreich, Süddeutschland und der Schweiz aufgebaut hat, hat offenbar einen Nerv der Zeit getroffen: ganze Busladungen vornehmlich älterer Herrschaften branden täglich allein über sein Stammhaus in Henndorf nahe Salzburg herein. Von weit mehr als hunderttausend Besuchern pro Jahr ist die Rede, die vor dem Schlachter gerettete Pferde, Kühe, Schweine, Gänse oder Hühner besichtigen wollen.

 

Während allein Eintrittsgelder (normal 9 €, geführte 2 Std.-Tour mit Prosecco-Empfang 24 €), Restaurantbetriebe (bis 2008 mit Leberkäse, Frankfurter Würstchen und Käsekrainern auf der Speisekarte, seither hat man auf Vegetarisches umgestellt) und der Verkauf von Merchandisingprodukten (z.B. Billiganorak mit Aiderbichl-Logo 79,96 €) Millionenumsätze sichern, wird das wirklich große Geschäft mit Spenden und Patenschaften gemacht, zu denen die Besucher subtil aber nachhaltig gedrängt werden: nicht wenige überantworten „Aiderbichl“ ihren kompletten Nachlass. Und wofür? Für das gute Gefühl, das Aufhauser im Gegenzuge offeriert, weniger schuld sein zu müssen an der gnadenlosen Unterdrückung und Ausbeutung von Tieren, die man durch das eigene Konsumverhalten mit verursacht. Als Mitglied der „Aiderbichl-Familie“ muß man das eigene Verhalten nicht reflektieren, verändern schon gar nicht: es reicht, eine Gnadenhofspende abzudrücken, um sich weiterhin und ohne schlechtes Gewissen Cordon Bleu und Kalbsmedaillon schmecken lassen zu können. Zahllose „Promis“ machen es vor, von Uschi Glas, Karl Moik und Hansi Hinterseer hin zu Axel Schulz und Ralf Schumacher, die sich alljährlich zu dem unsäglichen TV-Spektakel „Weihnachten auf Gut Aiderbichl“ einfinden. Zur Weihnachtsprominenz von 2011 zählten Helene Fischer, die Kastelruther Spatzen und der unvermeidliche DJ Ötzi, Inbegriff fleischfressender Grenzdebilität („Burgerdance“). Selbst David Hasselhoff und Larry Hagman, besser bekannt als J.R., sind begeisterte „Aiderbichler“

 

Bei all dieser Ablasshandelei dienen die zur Schau gestellten Tiere als nicht viel mehr denn Staffage, was wohl auch Aufhauser bewusst ist: Wortreich betont er, dass in Gut Aiderbichl „alle Tiere die Möglichkeit (haben), sich nach ihrer Art und Weise zu präsentieren, also ohne Druck und Leistungszwang.“ Was immer das heißen soll. Mit dem Gänserndorfer Affenrefugium jedenfalls, so Aufhauser, werde es keinerlei Gnadenhoftourismus geben. Erstmalig, seit er vor gut zehn Jahren ins Gnadenhofgeschäft eingestiegen ist, schien es ihm wirklich um „Hilfe für die gequälte Kreatur“ zu gehen und nicht um Profit oder persönliche Imagepflege. Er übernahm vierzig Schimpansen aus einem aufgelassenen österreichischen Versuchslabor, die, gefangengehalten in winzigen Käfigen, jahrzehntelang für völlig unsinnige Pharmaforschung missbraucht worden waren. Infiziert mit HIV oder Hepatitis wären sie ohne Aufhausers Engagement eingeschläfert worden.

 

Die immensen Kosten für die Errichtung des Gänserndorfer Schutzzentrums ebenso wie die laufenden Kosten teilen sich Gut Aiderbichl, das Land Niederösterreich sowie - aus (vorgeblich) ethischen Erwägungen und ohne Rechtsverpflichtung - der US-Pharmakonzern Baxter, der das aufgelöste österreichische Labor samt den Affen übernommen hatte, für diese aber keine Verwendung fand.

 

Für die Planung und Umsetzung des Affenrefugiums, errichtet auf dem weitläufigen Areal eines pleitegegangenen Safariparks, wurde der Sachverstand führender Primatologen und Veterinärmediziner eingeholt, mit dem ausdrücklich formulierten Ziel, den durchwegs schwerst traumatisierten Schimpansen die denkbar bestmögliche Unterbringung und Versorgung zu garantieren, die ein Leben in Gefangenschaft - anderes wird es für sie nie mehr geben - ihnen bieten kann. Gänserndorf konnte in der Tat - zumindest in der Planungs- und Bauphase - als „Leuchtturmprojekt praktizierter Tierethik“ bezeichnet werden. Vergleichbare Einrichtungen gibt es nur in Florida (Save the Chimps), wo ausrangierte Schimpansen des US-Raumfahrtsprogrammes in relativer Freiheit leben können, und in Holland (Stichting AAP), wo aus Zirkussen, Zoos oder Laboratorien befreite Primaten Zuflucht finden.

 

Zur großen Eröffnungsfeier des Gänserndorfer Affenrefugiums war neben jeder Menge Politprominenz auch Jane Goodall, Kultfigur der Primatenforschung, zugegen. Stolz führte Aufhauser ihr die neuerrichteten Außenanlagen vor. Einige der Schimpansen hatten diese bereits tags zuvor erstmalig inspiziert: zögernd waren sie ins Freie getreten, hatten ungläubig umhergeblickt; dann hatten sie begonnen zu lachen, hatten einander umarmt und waren lachend der Sonne entgegengeschritten, die sie noch nie zuvor gesehen hatten. Nicht nur Jane Goodall, die sie fünfundzwanzig Jahre zuvor in den 1,50 mal 1,50 Meter großen Käfigen des Pharmalabors erstmalig gesehen hatte, hatte Tränen in den Augen, als sie ein Video dieses ersten Ausflugs der Schimpansen in ihre neugewonnene Freiheit sah.

 

Ob die Schimpansen zu einem einigermaßen selbstbestimmten Leben zurückfinden, wie Jane Goodall es ausdrückte, könne erst die Zeit zeigen. Die insofern wesentliche Frage, so die unausgesprochene Fortführung ihres Gedankens, sei, ob Michael Aufhauser sein Versprechen halte und die Affen ihre verbleibende Lebenszeit unbehelligt und in Würde zubringen lasse, anstatt sie in den Rummel seines Aiderbichler Tierschutztourismus einzuspannen. Erwartungsgemäß hielt er sich nicht an sein Wort: Schon drei Wochen nach der Eröffnung der Anlage wurde die erste Besuchergruppe - sogenannte „PLUS-Paten“, die wenigstens 160 € pro Jahr spenden - zu einem „Exklusivbesuch bei den Schimpansen“ nach Gänserndorf verbracht: Transfer/Eintritt 59 €. Zwei Wochen später kam die zweite Gruppe...

 

Colin Goldner

in: Tierbefreiung 1/2012

Nachtrag: Inzwischen gibt es wöchentliche Bustouren zu den Schimpansen: Das Gänserndorfer "Affenrefugium" ist voll in den Aiderbichler Tierschutztourismus eingebunden (4/2014).