Jura-Zoo Neumarkt
Jurassic Nightmare
Jura-Zoo Neumarkt i.d.Opf
Von den 865 in Deutschland betriebenen Zoos und zooähnlichen Einrichtungen gehören 57 dem Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) e.V. und 92 der Deutschen Tierpark-Gesell-schaft (DTG) e.V. an, unterliegen also zumin-dest grundlegenden Regularien. Die meisten dieser Zoos werden aus Steuergeldern sub-ventioniert, dem VdZ zugehörige Großzoos wie die von Berlin, Frankfurt, Hannover, Leipzig, München oder Rostock mit zigMillionen pro Jahr.
Bei den restlichen 716 Einrichtungen handelt es sich überwiegend um privat betriebene Klein- und Heimatzoos, die, in der Regel nur spärlich unterstützt von ihren jeweiligen Kommunen, vielfach ein Dasein am Rande des Existenzminimums fristen. Die Haltungsbedingungen in diesen Einrichtungen bewegen sich durchgängig zwischen desolat und katastrophal. Eine veterinäramtliche Kontrolle findet, wenn überhaupt, nur pro forma statt, eine Verbandskontrolle gibt es nicht, da sie eben keinem Verband zugehören. Eine dieser Einrichtungen ist der sogenannte Jura-Zoo in Neumarkt in der Oberpfalz., einem 40.000-Einwohner-Kaff zwischen Regensburg und Nürnberg.
Der Jura-Zoo – in einem englischsprachigen Land würde er wohl „Jurassic Park“ heißen - ist benannt nach der mittleren Periode des Mesozoikums (vor 201,3 Mio bis 145 Mio Jahren), in der das heute als Fränkischer Jura bezeichnete Mittelgebirge entstand, an dessen westlichem Rand besagte Kreisstadt Neumarkt i.d.Opf. liegt. Mit Dinosauriern hat der der Jura-Zoo gleichwohl nichts zu tun, vielmehr handelt es sich um einen der zahllosen Kleinzoos hierzulande, die, mehr schlecht als recht, eine willkürlich zusammengestellte Kollektion an Wildtieren zur Schau stellen. Der Jura-Zoo wurde 1989 von einem privaten „Tierliebhaber“ begründet, der sich damit einen Nebenerwerb zu schaffen suchte. Bis heute werden etwa 250 Tiere aus 60 Arten vorgehalten, darunter Kaptriele, Geierraben und Zwergflamingos, aber auch afrikanische Wildkatzen (Servale), südamerikanische Krallenaffen oder ostasiatische Weißhandgibbons.
Tierrechte Bayern
Ende Juli 2017 tauchte ein Video im Netz auf, das, heimlich gedreht von der örtlichen Aktionsgruppe Tierrechte Bayern, gruselige Bilder aus dem Zoo zeigte: verletzte Vögel, verhaltensgestörte Affen, verdreckte Böden und vergammeltes Futter. Regionale wie auch überregionale Medien griffen die Kritik auf, die Süddeutsche Zeitung etwa schrieb vom „wohl schlimmsten Zoo in der Oberpfalz“; anderweitig war von einem „Albtraum“ die Rede, von „toten Tieren, überall herumliegenden Fäkalien und stinkenden Wasserkloaken“. Das zuständige Veterinäramt suchte nach Kräften abzuwiegeln: die erhobenen Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar, allenfalls gebe es kleine Beanstandungen wie etwa fehlende Gehegebeschilderungen. Für eine Schließung des Zoos, wie von der Aktionsgruppe gefordert, bestehe keinerlei Anlaß.
Anfang August erstattete PeTA Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Auch ansonsten wurde der Druck auf das Veterinäramt massiv erhöht: eine Online-Petition zur Schließung des Zoos sammelte in kürzester Zeit 3000 Unterschriften, zudem wurde eine Protestdemo vor dem Neumarkter Rathaus organisiert. Nachdem die für das Image der Stadt höchst abträgliche Diskussion in den Medien nicht nachließ - auch das Great Ape Project hatte scharfe Kritik geäußert, insbesondere an den Haltungsbedingungen der vierzehn Affen des Zoos -, traten plötzlich auch dem Veterinäramt die Missstände ins Gewahrsein: dem Betreiber des Zoos, der diesen zusammen mit seiner betagten Mutter im Nebenerwerb unterhält, wurde eine sofortige Reduzierung des Tierbestandes auferlegt. Vor allem die unter indiskutablen Bedingungen vor sich hin vegetierenden neun Kapuziner- und drei Javaneraffen müssten schnellstmöglich abgegeben werden; die zwei Gibbons hingegen, die der Zoo seit je in einem für Primatenhaltung völlig untauglichen Eisengitterverschlag zur Schau stellt, sollte er behalten dürfen, sofern zeitnah ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechender Neubau für sie errichtet würde. Ganz allgemein wurde eine Grundsanierung des 0,7 Hektar umfassenden Geländes verfügt, die während der Winterpause zu erfolgen habe. Einige der maroden Käfige müssten komplett abgerissen und, wie im Falle der Gibbons, durch Gehegeneubauten ersetzt werden.
In der Tat wurden kurzfristig ein einsamer Storch und ein Waschbär an andere Einrichtungen abgegeben. Die Vermittlung weiterer Tiere scheiterte an der nicht eben großen Bereitschaft des Zoobetreibers, sich darum zu kümmern. Die verfügte Abgabe von zwölf Kapuziner- und Javaneraffen erwies sich zudem als schwierig, da weder das Neumarkter Veterinäramt noch der Zoo eine Idee hatten, wohin die Tiere überstellt werden könnten.
Letztlich erklärte das Wales Ape & Monkey Sanctuary (WAMS), eine Partnerorganisation des Great Ape Project, sich bereit, die zwölf Affen aufzunehmen. Das in Südwales gelegene Refugium beherbergt derzeit knapp hundert Primaten jedweder Art und Sorte – Meerkatzen, Tamarine, Marmosetten, Lemuren, Kapuzineraffen, Makaken, Klammeraffen, Mandrille, Paviane, Gibbons und Schimpansen -, die aus Zirkussen, Zoos oder Pharmalaboren befreit oder auch von überforderten Privathaltern abgegeben wurden. Sämtliche Tiere bleiben auf Lebenszeit im WAMS, keines von ihnen wird, wie das bei den drei anderen Primatenrefugien Europas durchaus der Fall ist, irgendwohin, gar zurück in einen Zoo, weiterverschubt.
The Neumarkt Twelve
Nach monatelangem Behörden- und Papierkrieg konnten am 18.12.2017 die drei Javaner- und neun Kapuzineraffen die Reise in ihr neues Zuhause antreten. Sie wurden mit einem eigens für Wildtiertransporte zugelassenen Großraumfahrzeug des WAMS abgeholt. Die 1400km-Fahrt verlief völlig problemfrei, inzwischen haben sie sich gut in Wales eingelebt.
Auch wenn der Jura-Zoo nach der Abgabe einiger Tiere und getätigten Um- und Neubaumaßnahmen wohl ab Frühjahr eine weitere Betriebserlaubnis erhalten wird und es insofern nicht gelungen ist, ihn dauerhaft schließen zu lassen - wohin auch hätte man die rund 250 Tiere unterschiedlichster Arten verbringen sollen? -, wurde doch durch das nachhaltige Engagement einer örtliches Tierrechtsgruppe eine Menge im Interesse und zum Wohle der Tiere erreicht; vor allem für die zwölf Affen.
Die Kosten für den lebenslangen Unterhalt der in das Waliser Refugium verbrachten Tiere werden ausschließlich von WAMS bzw. GAP getragen. Der Jura-Zoo selbst steuert keinen müden Cent dazu bei, noch nicht einmal an den Transportkosten beteiligte er sich. Wären die Tiere nicht in Wales untergekommen, wären sie wohl, um den Auflagen des Veterinäramtes zu entsprechen, an irgendwelche Privathalter verscherbelt worden oder auf sonstigem Wege verschwunden. Wer insofern etwas spenden oder eine Patenschaft für eines der Tiere übernehmen möchte: www.ape-monkey-rescue.org.uk/donations.html
Colin Goldner
TIERBEFREIUNG #98, Frühjahr 2018
Pressespiegel
Jura-Zoo Neumarkt: Der wohl schlimmste Zoo der Oberpfalz (YouTube Video) 23.07.2017
Harte Kritik an Neumarkter Jura-Zoo. in: Mittelbayerische vom 25.07.2017
Der "wohl schlimmste Zoo in der Oberpfalz". in: Süddeutsche vom 26.07.2017
Tierschützer fordern mehr Platz für Affen im Jura-Zoo. in: Süddeutsche vom 02.08.2017
Jura-Zoo muss nachbessern. in: Süddeutsche vom 10.08.2017
Zoo wird wohl ein Fall für die Justiz. in: Mittelbayerische vom 12.08.2017
Jura-Volksfest: Tierrechtler protestieren gegen Jura-Zoo. in nordbayern.de vom 13.08.2017
Tierschützer protestieren gegen Jura-Zoo. in: Mittelbayerische vom 14.08.2017
Jura-Zoo hat einige Tiere bereits abgegeben. in: Süddeutsche vom 04.09.2017
Im Jura-Zoo ist einiges in Bewegung. in: Mittelbayerische vom 06.09.2017
Neues Zuhause für Affen. in: Süddeutsche vom 18.12.2017
Theater um Affen im Jura-Zoo. in: Mittelbayerische vom 19.12.2017
Jura-Zoo fehlt seit Jahren offenbar Zoo-Lizenz. in: Süddeutsche vom 01.03.2018
Neumarkt in der Oberpfalz: PETA kritisiert: Seit Jahren bleibt Jura Zoo ohne erforderliche Genehmigung in Betrieb. in: FOCUS Online vom 02.03.2018
Jura-Zoo: Kritik am Landratsamt. in: donaukurier.de vom 04.03.2018
Jura-Zoo: Ermittlungen eingestellt. in: Mittelbayerische vom 25.05.2018
In den Ferien Neumarkter Zoo wieder offen? nordbayern.de vom 25.5.2018
PRESSEINFORMATION
Behördenversagen in Neumarkt: Jura Zoo - Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt!
Neumarkt/Roth, 24.05.18 - vor rund einem Jahr erstattete die Aktionsgruppe Tierrechte Bayern Anzeige gegen den Jura-Zoo-Betreiber beim Veterinäramt Neumarkt. Eine Recherche zuvor brachte zahlreiche Missstände und Verstöße ans Licht: verletzte Vögel, verhaltensgestörte Affen und verdreckte Gehege. Der Zoo schloss kurze Zeit drauf erst einmal, gab einige Tiere ab und kündigte Umbaumaßnahmen an. Weil das Gibbongehege nicht den Mindestanforderungen an das Säugetiergutachten von 2014 entspricht, forderte das Landratsamt Neumarkt den Betreiber damals auf, ein neues Gehege bis März 2018 zu bauen. Dem ist der Betreiber allerdings bis heute, rund zwei Monate nach Ablauf der Frist, nicht nachgekommen. Das Veterinäramt teilte der Aktionsgruppe Tierrechte Bayern heute schriftlich mit: „Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Materiallieferung konnte das angestrebte Bauende im März 2018 nicht gehalten werden. Dem Betreiber des Jura-Zoos Neumarkts, Herrn Pelech, wurde deshalb eine Fristverlängerung gewährt.“ Die Gibbons befinden sich nach wie vor im alten Gehege, welches nun seit vier Jahren nicht den aktuellen Mindeststandards entspricht. „Das war hier passiert ist Arbeitsverweigerung“, sagt Sprecher Simon Fischer. „Die beiden Gibbons hätten längst beschlagnahmt werden müssen“. Die Aktionsgruppe Tierrechte Bayern hat daher heute Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Sachgebietsleiter des Veterinäramtes Neumarkt, Herrn Martin Schmid, beim Landrat eingereicht. (...)
Die Ermittlungen im Fall Jura Zoo der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth nach einer Strafanzeige von PETA Deutschland e.V. deckten einen weiteren Skandal auf: Der Betreiber des Jura Zoo verfügt nicht über die nötige Zoo-Genehmigung (§42 BNatSchG). „Die Voraussetzungen diese Genehmigungen zu erteilen, konnten bisher von Herrn Pelech nicht erfüllt werden“, heißt es dazu in den Verfahrensakten, welche uns in Kopie vorliegen. Darin beschreibt das Veterinäramt ebenfalls, dass der Waschbär im zu kleinen Gehege und in Einzelhaltung gelitten habe und die Storch- und Gibbonhaltung nicht tierschutzgerecht sei. All dieses Leid hätte den Tieren im Jura-Zoo erspart werden können, da das Veterinäramt einen solchen Zoo ohne die erforderliche Genehmigung nicht hätte dulden dürfen. Darüberhinaus besitzt Herr Pelech keine §11 Genehmigung zur Haltung von Menschenaffen (darunter zählen Gibbons). Der Jura Zoo kündigte bisher allerdings immer wieder an, bald neu eröffnen zu wollen.
Aktionsgruppe Tierrechte Bayern vom 24.05.2018
Aktueller Nachtrag
Jura-Zoo: Bilanz nach einem Jahr. Aktionsgruppe Tierrechte Bayern vom 25.07.2018
Keine Betriebs- und Haltungserlaubnis
Zoobetreiber Dieter Pelech verfügt offen-bar nach wie vor weder über eine Betriebs-erlaubnis für seinen Zoo noch über die Erlaubnis zur Haltung bzw. Zurschau-stellung von Menschenaffen; letztere ist in einem Bescheid des Veterinäramtes von 26.11.2014 ausdrücklich ausgeschlossen. Trotzdem hielt und hält er - um es zu wiederholen: ohne Betriebserlaubnis für seinen Zoo und ohne Haltungs- bzw. Zurschaustellungserlaubnis für Menschen-affen - seit Jahren Gibbons, also Menschen-affen. Und dies zudem in einem Käfig, der den bundesministeriellen Vorgaben für die Haltung von Gibbons eklatant zuwiderlief. (Stand 25.5.2018)
Ob Herr Pelech bis zur geplanten Wieder-eröffnung des Zoos Ende Juli 2018 den bundesministerellen Vorgaben sowie den Auflagen des Veterinäramtes nachgekom-men sein wird, und ob ihm dann eine behördliche Betriebserlaubnis für seinen Zoo sowie eine Haltungs-/Zurschaustellungserlaubnis für Gibbons erteilt sein wird, wird sich zeigen.
Endgültiges Aus für den Jura-Zoo
Wie das Landratsamt Neumarkt i.d.Opf. mit Schreiben vom 13.2.2020 (an die Aktionsgruppe Tierrechte Bayern) miteilte, ist und bleibt der "Jura-Zoo" dauerhaft geschlossen. Eine Wiedereröffnung als Zoo mit Publikumsverkehr wird es definitiv nicht mehr geben: der Jura-Zoo ist Geschichte.
Die immer noch auf dem Gelände gehaltenen Tiere (zwei Gibbons sowie einige Minipigs, Ziegen, Schafe, Kaninchen, Meerschweinchen, Aras, Schildkröten und Fische) gelten künftig als Privathaltung, für die keine besondere Genehmigung erforderlich ist (bzw. wie im Falle der Gibbons offenbar als erbracht gilt).
Endgültiges Aus für Neumarkter Jura-Zoo. in: nordbayern.de vom 14.2.2020