Psychoquacksalberei im Zoo

Im Münchner Tierpark Hellabrunn wird von einer der angestellten Tier-wärterinnen, die wohl zusätzlich eine Heilpraktikerprüfung abgelegt hat, psychotherapeutische Hilfe bei Schlangen- oder Spinnenphobien angeboten: im Rahmen 1-tägiger „Seminare“ kann man sich im Zoo einer sogenannten „Konfrontationstherapie“ unterziehen, bei der zooeigene Pythons und Taranteln zum Einsatz kommen: „Dazu verwenden wir Methoden aus der Verhaltenstherapie, Neuro-Linguistischer Psychologie (NLP), Gesprächstherapie, diverser Entspannungstechniken und Ressourcenarbeit.“ In einem ebenfalls 1-tägigen „Aufbauseminar“ können die TeilnehmerInnen von Seminar 1 weitere „Angstbewältigungstechniken“ erlernen, darunter  die pseudowissenschaftliche und therapeutisch völlig untaugliche „ Emotional Freedom Technique“ (EFT), die auf den unsinnigen Vorstellungen der Traditionellen Chinesischen Meridianlehre und den noch unsinnigeren der Angewandten Kinesiologie basiert. Kosten: 130 Euro pro Seminar in der Gruppe, als Einzeltherapie 185 Euro.

 

Neuerdings werden unter der Bezeichnung „Tierisch ruhig“ auch 1-tägige „Anti-Stress-Seminare“ im Tierpark Hellabrunn angeboten, bei denen am Vormittag verhaltens-, gestalt- und atemtherapeutische Methoden zum Einsatz kommen, während die TeilnehmerInnen am Nachmittag „Kontakt zu unseren Ponys, Lamas, Alpakas oder Ziegen aus dem Kindertierpark (=Streichelzoo) aufnehmen. Das Beobachten und Berühren der Tiere schult die Aufmerksamkeit, ihre Ruhe und Gelassenheit überträgt sich auf die Teilnehmer. Ruhigeres menschliches Verhalten wirkt sich wiederum positiv auf die Tiere aus, unsere Befindlichkeit spiegelt sich im Verhalten des Tieres. Sie werden die vormittags erlernten Techniken im Kontakt mit den Tieren anwenden können.“ Besonders geeignet sei das Seminar für „Kinder und Jugendliche, auch bei AD[H]S“.

 

Es erübrigt sich der Hinweis, dass Heilpraktiker weder über die erforderliche diagnostische noch die klinische Qualifikation verfügen, Phobien (oder sonstige Störungen oder Erkrankungen) seriös zu behandeln. Das Herumdilettieren an Kindern und Jugendlichen mit Aufmerksamkeitsdefizit- bzw. Hyperaktivitätsstörung ist als völlig unverantwortlich zu werten. Vergleichbare Pseudopsychotherapie unter Verwendung von Zootieren gibt es auch in zahlreichen anderen Zoos.

 

Colin Goldner

TIERBEFREIUNG #96, 10/2017