Shark City

So oder so ähnlich hätte es in Shark City Pfungstadt aussehen sollen… (Georgia Aquarium, Atlanta. c PeTA)

Shark-City abgesoffen - Mega-Aquarium wird nicht gebaut

 

Während im Mai 2019 ein für den Zoo Basel (Schweiz) vorgesehenes Großaquarium – ein über 10 Jahre hinweg geplantes 100-Millionen-Projekt – dank der direkten Demokratie des Landes vom Basler Stimmvolk mit deutlicher Mehrheit abgelehnt wurde, konnte hierzulande ein undurchsichtiges Konsortium namens „The Seven Seas Aquarium GmbH & Co. KG“ seine Pläne zügig vorantreiben, mitten in der südhessischen Provinz eines der „größten Indoor-Hai-Aquarien der Welt“ zu bauen. Es reichte, einen auf zigmillionenschwere Investitionen, auf hunderttausende Besucher*innen pro Jahr und insofern satte Gewerbesteuereinnahmen schielenden Bürgermeister samt seinen Gemeindeverordneten davon zu überzeugen, dass Pfungstadt, ein farbloses 25.000-Einwohner-Kaff zwischen Heidelberg und Darmstadt, genau der richtige Standort für das als „Shark City“ bezeichnete Großprojekt sein würde.

 

Schon seit 2014 war die „Seven Seas GmbH“ auf der Suche nach einem geeigneten Standort für ihr geplantes Großaquarium gewesen. Zunächst war Sinsheim vorgesehen, zweitgrößte Stadt im baden-württembergischen Rhein-Neckar-Kreis, bei deren Stadtspitze das Investorenkonsortium, eigenen Aussagen zufolge, „offene Türen einrannte“. Geplant war der Bau des auf vorläufig 11 Mio Euro veranschlagten Aquarienkomplexes auf einem Grundstück in unmittelbarer Nähe eines Fastfoodketten-Großrestaurants. Anfang April 2016 wurden erste Baupläne veröffentlicht, als Bauzeit wurde mit 12 bis 15 Monaten gerechnet. Nicht gerechnet hatte man indes mit dem rasch sich formierenden massiven Protest seitens nationaler wie internationaler Tier-, Natur- und Artenschutzorganisationen; wohl auch nicht mit dem Widerstand der Sinsheimer Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die Sturm lief gegen das geplante Megaprojekt. Kritisiert wurde unter anderem, dass die geplante Besetzung der Aquarienbecken mit bis zu 150 Haien in nicht unerheblichem Maße über Wildfänge erfolgen werde: „Je nach Haiart und ihrer Empfindlichkeit sterben viele Haie bei oder nach dem Fang. Außerdem lassen viele Fische beim oder direkt nach dem Transport ihr Leben. Grund dafür ist die Art des Fangs (Angeln, Netze, Longlines etc.) und die Art des Transports (Betäubung, Bakterien im Wasser, Verletzungen durch zu kleine Transportbehälter etc.). Fakt ist: Für jeden Hai, den Sie als Aquariums-Besucher im Becken sehen, sterben viele Haie beim Fang, Transport oder nach kurzer Zeit im Aquarium. Hinter den Kulissen warten dann schon neue Haie in Quarantänebecken, um die toten Tiere in den Schauaquarien zu ersetzen.“ Der Bildungs- und Aufklärungsanspruch, den Shark City angeblich verfolge, sei nur Alibi, um den kommerziellen Betrieb des Aquariums zu rechtfertigen (SharkProject).

 

Gleichwohl die „Seven Seas GmbH“ ihre Pläne überarbeitete und das Investitionsvolumen auf bis zu 20 Mio Euro erhöhte, sah sie letztlich keine Möglichkeit mehr, das Projekt in Sinsheim zu realisieren.  Im Juni 2017 stellte sie daher ihre Pläne dem Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsausschuss der eine Autostunde entfernt im Bundesland Hessen gelegenen Stadt Pfungstadt vor, der einstimmig, sprich: mit den Stimmen sämtlicher Fraktionen, den Verkauf eines 21.000 Quadratmeter großen Grundstückes im Pfungstädter Gewerbegebiet an die „Seven Seas GmbH“ genehmigte. In einer eigenen Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung, Bauen und Umwelt wurde gar der Beschluss gefasst, einem beschleunigten Bauverfahren nach Maßgaben des § 13 a BauGB stattzugeben, was „grünes Licht“ für sofortigen Baubeginn bedeutete. All diese Beschlüsse wurden gefasst, noch bevor die Pfungstädter Öffentlichkeit von den Plänen der „Seven Seas GmbH“ erfuhr.

 

Kein Shark City in Pfungstadt

 

Schwarzspitzenriffhai

Auch in Pfungstadt regte sich sofort massiver Widerstand. Namhafte Tier-, Natur- und Artenschutzorganisationen aus dem In- und Ausland schlossen sich zu einer Allianz gegen das Aquarienprojekt zusammen. Engagierte Bürger*innen Pfungstadts brachten zudem ein Bürgerbegehren gegen den Bau von „Shark City“ auf den Weg, das in kürzester Zeit das erforderliche Quorum von 10 Prozent überschritt. Angeblich „formaler Mängel“ wegen wurde die Annahme des Begehrens von Bürgermeister Patrick Koch (SPD) ablehnt. Es folgten über Jahre sich hinziehende verwaltungsrechtliche Auseinandersetzungen.

 

Schon für Sinsheim hatte die weltweit renommierte Hai- und Artenschutzorganisation „SharkProject“ ein umfängliches Fachgutachten vorgelegt, das zeigte, dass eine tiergerechte Haltung oder gar Vermehrung großer Haiarten in Aquarien schlichtweg unmöglich ist. Zudem wies eine eigens begründete Bürgerinitiative „Kein Shark City in Pfungstadt“ nach, dass das geplante Großaquarium städtebaulichrechtlichen Bestimmungen grundlegend zuwiderlaufe: es würden enorme Energie- und Wasserressourcen verschwendet, durch Salzwassereinleitung in die Kanalisation könnten Flüsse verunreinigt werden, im Havariefall würde die Umwelt nachhaltig gefährdet werden; zudem würde bei der gewünschten Publikumsauslastung das Verkehrsaufkommen in der Stadt enorm in die Höhe getrieben, was ohne zusätzliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur nicht verkraftbar sei.

 

Desungeachtet schritten die Planungen und Vorarbeiten des Millionenprojekts zügig voran. Lediglich das Fassungsvermögen der geplanten Becken wurden etwas reduziert: statt ursprünglich vorgesehener rund 15 Mio Liter sollten alle Becken zusammen nur noch 10 Millionen Liter beinhalten; zudem die wurde Investitionssumme weiter erhöht. Einer Eröffnung von „Shark City“ im Sommer 2021, so die beiden Geschäftsführer der „Seven Seas GmbH“ Ende 2019, stehe nichts mehr im Wege. Tatsächlich aber stand eine Vielzahl angekündigter oder bereits laufender rechtlicher Schritte dem Fortgang des Projekts sehr im Wege. Trotz Drängen der Pfungstädter Stadtspitze war bis Ende 2020 noch kein offizieller und genehmigungsfähiger Bauantrag eingereicht worden; noch nicht einmal der Kaufvertrag für das 21.000 Quadratmeter große Gelände war unterzeichnet worden, auf dem „Shark City“ entstehen sollte.

 

Tote Haie und Rochen

 

Hingegen wurde bekannt, dass im September 2020 zwei seit 2016 in einem provisorischen Rundstrombecken der „Seven Seas GmbH“ im rheinland-pfälzischen Grünstadt zwischengelagerte Bullenhaie tot waren. Einer davon war bereits vor Monaten „verendet“, wie es hieß, der zweite kam durch verunreinigtes Wasser aus der Kanalisation zu Tode. Auch zwei Blaupunktrochen waren „verendet“, dem Vernehmen nach aufgrund eines defekten Ozongerätes. Alle noch lebenden Tiere, die seit 2016 in den Grünstädter Geschäftsräumen der „Seven Seas GmbH“ verwahrt worden waren, darunter zwölf Haie, wurden an andere Schauaquarien abgegeben.

 

Nachdem im Mai 2021 die geforderten Gutachten für ein Bauvorlageverfahren immer noch eingereicht worden waren und damit auch kein Bauantrag gestellt worden war, wurde die Grundstückreservierung seitens der Hessischen Landgesellschaft (HLG) aufgehoben. Ein Gütetermin zur Klärung eines eventuell fortbestehenden Interesses der „Seven Seas GmbH“ an dem Grundstückskauf platzte, da von der Geschäftsführung niemand dazu auftauchte. Auch die Internetpräsenz der „Seven Seas GmbH“ war urplötzlich verschwunden. Wegen „Einstellung der Geschäftstätigkeit“ und „erheblicher Zielüberschreitungen“ wurde der Bonitätsindex der „Seven Seas GmbH“ erheblich herabgesetzt: „Von Krediten wird abgeraten, eine Geschäftsverbindung gilt als riskant“. Letztlich hob Anfang Juli 2021 die Pfungstädter Stadtverordnetenversammlung sämtliche Beschlüsse hinsichtlich des Hai-Aquariums auf: das von Zoofans bejubelte Millionenprojekt „Shark City“ war tot, noch ehe der erste Hai dort verendet war.

 

Colin Goldner

TIERBEFREIUNG #110/2021