Uschi und Kaspar

veganmagazin 2/2019

Nach all den Jahren...

 

Happy End für Uschi und Kaspar

 

von Colin Goldner

 

Uschi und Kaspar, zwei betagte Schimpansen, leben im Wales Ape & Monkey Sanctuary, einem Tierrefugium am Rande des Bracon Beacons Nationalparks im Swansea Valley. Mehr als hundert Primaten jedweder Art und Sorte leben hier – Meerkatzen, Tamarine, Lemuren, Kapuziner, Makaken, Klammeraffen, Mandrille, Paviane, Gibbons und eben auch Schimpansen -, allesamt befreit oder beschlagnahmt aus Zirkussen, Zoos, Pharmalaboren oder auch abgegeben von überforderten Privathaltern. Die meisten würden längst nicht mehr leben, wären sie nicht durch glückliche Fügung hier gelandet. Zwei dieser Glückspilze sind Uschi und Kaspar, Schimpansengeschwister aus dem nordrhein-westfälischen Zoo Delbrück, die Ende 2015 auf abenteuerlichem Wege nach Wales kamen.

 

Jan und Graham

 

Die Geschichte des Wales Ape & Monkey Sanctuary beginnt im Dezember 1998, als der weit über die Region hinaus bekannte Penscynor Wildlife Park, ein vielbesuchter Safarizoo in Südwales, bankrott ging und geschlossen werden musste. Die meisten der rund 170 Tiere des Parks waren bereits an andere Zoos und Privathalter vermittelt worden, für die sieben vorgehaltenen Schimpansen aber hatte sich kein Platz finden lassen: es drohte ihre Einschläferung. Die Eheleute Jan und Graham Garen – sie Lehrerin in London, er Kfz-Ingenieur - fassten buchstäblich von einem Tag auf den anderen den Entschluß, ihre gutbezahlten Jobs aufzugeben, um sich um die Schimpansen zu kümmern. Jan, aufgewachsen nahe des Penscynor Wildlife Parks auf der Farm ihrer Eltern, kannte die sieben seit früher Kindheit. Die Garens beschlossen, die weitläufige Farm, die Jan vor Jahren schon von ihren mittlerweile verstorbenen Eltern geerbt hatte und die seither nicht bewirtschaftet wurde, zur neuen Heimat für die Schimpansen zu machen.

 

Die Garens holten sich Rat und Unterstützung primatologischer Fachleute und bauten mit Hilfe von Nachbarn und Freunden die ersten Gehege, so dass schon wenige Wochen später die sieben Schimpansen umziehen konnten. "Unser Leben hat sich auf dramatische Weise verändert, seit sie da waren”, erzählt Jan, „es war, als hätten wir sieben Kinder auf einmal bekommen.“  Ursprünglich wollten die Garens keine weiteren Tiere aufnehmen – beide waren absolute Laien, die keine Ahnung hatten, was es bedeutet, sieben erwachsene und mit ungeheueren Kräften ausgestattete Schimpansen zu versorgen –, aber dann ging ein Zoo in Nordirland pleite und es war erneut Not am Mann. So kamen weitere Affen auf die Farm, Paviane, Makaken, Tamarine und jede Art sonstiger Primaten, nicht selten auch Tiere, die auf Handelsschiffen eingeschmuggelt und vom Zoll beschlagnahmt worden waren.

 

Wann immer nötig, erweiterten die Garens, mittlerweile Experten im Umgang mit Primaten, ihre Gehegeanlagen oder bauten neue, um den aufgenommenen Tieren die denkbar beste und artgerechteste Unterbringung zu ermöglichen, die die beschränkten Ressourcen erlauben. Das Wales Ape & Monkey Sanctuary, gleichwohl staatlich anerkannt, lizenziert und immer wieder von Behörden in Anspruch genommen, erhält keinerlei öffentliche Gelder: alles wird aus Spenden, Patenschaften und nicht zuletzt aus dem privaten Sparstrumpf der Garens finanziert. Dazu kommen Eintrittsgelder, die die jährlich rund 30.000 Besucher entrichten, um die Affenbande kennenzulernen. „Gleichwohl sind wir alles andere als ein Zoo“, sagt Jan, „die Besucher erfahren vom Schicksal der Tiere und vom schreienden Unrecht, das ihnen in Zirkussen, Zoos und Pharmalaboren angetan wurde.“

 

Uschi und Kaspar

 

Ende 2015 kamen die Schimpansengeschwister Uschi (heute 34) und Kaspar (37) in das Waliser Refugium. Seit frühester Kindheit waren die beiden unter indiskutablen Bedingungen in einem kleinen Privatzoo nahe Paderborn gehalten worden. Dieser sogenannte Tierpark Nadermann stellt bis heute rund 600 Tiere aus 100 verschiedenen Arten zur Schau, darunter  Löwen, Jaguare, Leoparden und eine Vielzahl weiterer Exoten, die in absurd kleinen Gehegen vor sich hin vegetieren.

 

Uschi und Kaspar waren in einen winzigen Gitterkäfig eingesperrt. Sie wiesen, selbst dem Laien ersichtlich, Symptome schwerer psychischer Störungen auf. Die Behauptung im Nadermannschen Zooprospekt, sie seien „immer zu Späßen aufgelegt“, erschien angesichts der Lethargie und Teilnahmslosigkeit der Tiere als blanker Zynismus. Des eklatanten Bewegungsmangels wegen, dem sie in ihrem beengten Käfig unterlagen, waren die beiden heillos übergewichtig; erschwerend kam hinzu, dass ihnen fortlaufend von den Besuchern Pommes frites oder Süßigkeiten zugeworfen wurden.

 

Unter ausdrücklichem Hinweis auf § 16a TierSchG, demzufolge Amtstierärzte handeln müssen, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich Verstöße gegen Tierschutzrecht begangen wurden, werden oder bevorstehen, wurde das Paderborner Veterinäramt Anfang 2014 von den Missständen im Tierpark Nadermann in Kenntnis gesetzt. Es passierte monatelang nichts. Auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde bewirkte nichts. 

 

Anfang 2015 wurde bekannt, dass Nadermann bei den zuständigen Behörden Papiere für eine Abschiebung der Schimpansen in einen Amusementpark in China beantragt hatte. In kürzester Zeit gelang es, eine breitangelegte Medienkampagne auf die Beine zu stellen, die dazu führte, dass die mailbox Nadermanns innerhalb weniger Tage von mehr als 15.000 Protestmails überflutet wurde. Entnervt zog Nadermann letztlich seinen Exportantrag beim Bundesamt für Naturschutz zurück. Zugleich verlautbarte er, die Schimpansen nun doch selbst behalten und seine Käfiganlagen modernisieren zu wollen. Wieder passierte monatelang gar nichts.

 

Ende September 2015 stellte das Great Ape Project ein undercover gedrehtes Video ins Netz gestellt, das die katastrophalen Verhältnisse zeigte, unter denen Uschi und Kaspar gehalten wurden. Das Video, das auch in verschiedenen TV-Magazinen zu sehen war, übte so großen Druck auf Nadermann aus, dass er, obgleich immer noch unterstützt vom zuständigen Veterinäramt, seine Bereitschaft erklärte, die beiden Schimpansen an das Wales Ape & Monkey Sanctuary abzugeben. Am 1. Dezember 2015 wurden sie von Mr. Garen mit einem eigens für solche Transporte eingerichteten Truck abgeholt. Nach einer 1200km-Nonstop-Fahrt kamen sie am darauffolgenden Morgen wohlbehalten in Wales an. Scheu, aber mit neugierigem und sichtlich erfreutem Gesichtsausdruck stiegen die beiden aus dem Truck – und waren zuhause.

 

Nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Quarantäne freundeten sie sich schnell mit der Schimpansengang um Tubman, Fergus und Nakima an. Auch wenn es wirkliche Freiheit für sie nie mehr geben kann - eine Auswilderung ist gänzlich undenkbar -, haben sie im Wales Ape & Monkey Sanctuary doch einen Platz gefunden, an dem sie die ihnen verbleibende Zeit ihres Lebens in größtmöglicher Selbstbestimmung unter ihresgleichen zubringen können, umsorgt und geliebt von Menschen, die alles daransetzen, ihnen ein wenig von dem zurückzugeben, was andere ihnen gestohlen haben.

 

Wer das Waliser Affenrefugium unterstützen möchte, findet auf der website alle nötigen Informationen: www.ape-monkey-rescue.org.uk

Die Vorgeschichte von Uschi und Kaspar im Zoo Delbrück findet sich hier