Zoo Bochum
Kampfläufer und Rotschenkel
85 Jahre Zoo Bochum
Der Bochumer Tierpark wurde 1933 mit tatkräftiger Hilfe der neuen Machthaber eingerichtet. Der seinerzeitige Ober-bürgermeister Otto Leopold Piclum (NSDAP) setzte sich persönlich dafür ein, dass Bochum – wie das zahlreiche deutsche Städte zu Beginn des „1000jährigen Reiches“ anstrebten (Duisburg, Heidelberg, Ulm, Osnabrück, Augsburg, Rheine, Krefeld u.a.) - ein eigenes „Tiergehege“ bekomme. Die Stadt stellte kostenfrei ein geeignetes Areal nahe des im Stadtpark gelegenen sogenannten „Bismarckturms“ zur Verfügung, eines deutsch-nationalen Denkmals, das 1910 zu Ehren des vormaligen Reichskanzlers und Bochumer Ehrenbürgers Otto von Bismarck errichtet worden war. Die Einweihungsfeier fand am 12.07.1933 statt.
1943 wurde der Tierpark durch Fliegerangriffe dem Erdboden gleichgemacht, ab 1948 aber an selber Stelle wieder aufgebaut. Obgleich das Areal dabei etwas erweitert wurde, zählt der Bochumer Zoo mit bis heute lediglich zwei Hektar Gesamtfläche zu den kleinsten Einrichtungen seiner Art. Gleichwohl rühmt er sich, mit 3.900 Tieren aus 330 Arten zu den tier- und artenreichsten Zoos des Landes Nordrhein-Westfalens zu gehören, das seinerseits dichter mit Zoos besetzt ist, als jede andere Region weltweit.
Tatsächlich besteht das Gros des Bochumer Tierbestandes aus Amphibien, Reptilien, Fischen sowie allein 97 Arten von Stachelhäutern, Krebsen, Weich- und Nesseltieren. Nicht weniger als 2300 Fische aus 158 Arten werden gezeigt - Süßwasserrochen, Piranhas, Doktorfische, Nasenmuränen, Knochenhechte etc. -, allesamt untergebracht in einem 1988 neu errichteten „Aquarien- und Terrarienhaus“. Darüberhinaus bietet der Bochumer Zoo eine willkürlich zusammengestellte Kollektion kleinerer Säugetiere (Totenkopfaffen, Seehunde, Erdmännchen, Kattas, Nasenbären etc.) und Vögeln (Kampfläufer, Rotschenkel, Geier, Keas, Flamingos, Pinguine etc.). Die bis vor wenigen Jahren und unter teils katastrophalen Bedingungen gehaltenen Braunbären, Sumatra-Tiger, Indochina-Leoparden, Timberwölfe und Weisshandgibbons wurden vor dem Hintergrund zunehmender öffentlicher Kritik mittlerweile abgeschafft. Gleichwohl verweist man bis heute und mit Stolz auf die erfolgreichen „Handaufzuchten“ von Tigern, Leoparden und Bären, durch die der Zoo bis herauf in die Jetztzeit große Anerkennung erfahren habe. Heute engagiert sich der Zoo in der „Erhaltungszucht“ von Krontauben, Auswilderungsprojekte in die neuguineische Heimat dieser Vögel gibt es nicht.
Anstelle der aufgegebenen Großsäugeranlagen wurde 2016 wurde ein sogenannter „Zoologischer Bewegungsspielplatz“ eingerichtet. Auf einer Fläche von 1.000 qm können Kinder sich an verschiedenen „Mottostationen“ betätigen und dort die „verschiedenen Bewegungsarten der Tiere nachvollziehen und sich mit ihnen messen: Klettern wie ein Affe, balancieren wie ein Nasenbär, kriechen wie eine Schlange oder rutschen wie ein Pinguin“. Kosten der völlig überdimenionierten Kinderbespaßungs-anlage: 650.000 Euro. Überdies stehen für die Besucherkinder kostenpflichtige „Fahrgeschäfte“ bereit. 2016 wurde zudem eine „Schau-Futterküche“ eröffnet, bei die Besucher durch ein Fenster den Tierpflegern bei der Futterzubereitung zusehen und über eine Gegensprechanlage Fragen stellen können.
Hobby-Paläontologie im Zoo
1996 wurde das „Aquarien- und Terrarienhaus“ um ein sogenanntes „Fossilium“ erweitert, in dem versteinerte Insekten, Ammoniten, Nautiliden und Fische aus dem Solnhofener Plattenkalk zu sehen sind. Der Zoo hatte die 150 Mio Jahre alten Jura-Fossilien von dem Bochumer Hobby-Paläontologen Helmut Leich geschenkt bekommen, der sie im Laufe 60jähriger Sammlertätigkeit zusammengetragen hatte. Leich war schon seit 1948 im Vorstand des Bochumer Zoos tätig gewesen. Seine aus mehr als 400 Einzelstücken bestehende Fossiliensammlung wird, weitgehend kommentarlos, in 55 Schaukästen präsentiert. Der Aufklärungs- und Bildungswert für die Zoobesucher tendiert insofern gegen Null.
Ein paar Jahre nach dem „Fossilium“ wurden die sogenannten „Nordseewelten“ eröffnet. Kernstück der 2 Mio teueren Anlage ist ein völlig reizloses Betonbecken, in dem, in künstlich hergestelltem und mit technischem Großaufwand „kristallklar“(!) aufbereitetem Salzwasser, ein paar Seehunde ihre immergleichen Bahnen ziehen. Angereichert wird die Betonkulisse durch eine Gruppe Humboldtpinguine, deren natürliche Lebensräume an den Pazifikküsten Perus und Nordchiles zu finden sind. Was sie in den Bochumer „Nordseewelten“ verloren haben, erschließt sich nicht. In einer benachbarten Voliere stehen ein paar nordseetypische Watvögel herum, eine künstliche „Dünenlandschaft“ bietet laut Selbstbewerbung des Zoos „zur Entspannung der Besucher einen Ruhe- und Picknickbereich mit Strandkörben. Was soll man da noch an die Nordsee fahren, wenn die ‘Nordseewelten‘ mitten im Ruhrgebiet sind!“
Ab 2012 wurde das Erscheinungsbild des Zoos mit enormem Finanzaufwand ein wenig aufgehübscht, womit man, wie es auf der hauseigenen website heißt, einen „weiteren, gewaltigen Entwicklungsschritt hin zu einem spannenden, erlebnisreichen und modernen Zoo gemacht“ habe. Tatsächlich wurde in erster Linie ein neuer Eingangsbereich geschaffen, zudem wurde die Wegeführung geringfügig verändert. Die Behauptung, es stünden nach den Um- und Neubaumaßnahmen heute „große Biotop-Anlagen im Mittelpunkt des Bochumer Tierparks“, erscheint reichlich vermessen: für die Tiere bringen die neuen Gehegebauten keinerlei nennenswerte Besserung.
Eigenen Angaben zufolge liegen die Besucherzahlen des Bochumer Tierparks seit Jahren konstant bei etwa 250.000 p.a. (2016 sollen sie der sogar bei über 300.000 gelegen haben). Da indes - zootypischerweise - auch in Bochum nicht zwischen BesuchEn und BesucheRn differenziert wird, dürfte der Zoo, korrekte Zählung vorausgesetzt, von allenfalls 60.000 bis 75.000 Menschen pro Jahr, teils mehrfach (über Dauerkarten o.ä.), besucht werden. Interessant ist das insofern, als der als gGmbH geführte Zoo mit einem städtischen Zuschuss von 2,88 EUR je Besucher subventioniert wird.
Tod zweier Riffhaie
Anfang November 2017 kamen im Aquarien- und Terrarien-haus des Bochumer Tierparks zwei Schwarzspitzenriffhaie - angeblich die unbestrittenen „Publikumslieblinge“ des Zoos - und mehrere Korallenfische zu Tode.
In einer ersten Meldung teilte der Zoo mit, der Tod der Fische sei durch einen „Defekt der Filteranlagen“ verursacht worden, durch die es zu einer „Beeinträchti-gung der Wasserqualität“ gekommen sei. Ein paar Tage später allerdings revidierte Zoodirektor Ralf Slabik diese Meldung: bei einer eingehenden Überprüfung der Filter-, Ozon- und UV-Anlagen, auch der Pumpentechnologie, der Eiweißabschäumer, der Zu- und Abluftanlagen, der Beleuchtungseinheiten sowie sämtlicher Bestandteile der Mess- und Regeltechnik seien keinerlei Fehlfunktionen festgestellt worden. All dies, so Slabik, deute auf eine „Vergiftung“ hin. Wen genau er für verantwortlich hielt, die Fische vergiftet zu haben, ließ er vielsagend offen. Klar sei jedenfalls, „dass die Stoffe, die zum Tod der Haie geführt haben, von außen gekommen sind“. Schlagartig machten Gerüchte einer ALF- oder sonstigen Tierrechtsaktion die Runde. Auf der facebook-Seite von zoos.media beispielsweise schrieb der selbsternannte Zoolobbyist Philipp Kroiß: „Der bedrohliche Trend, das Tierhasser offenbar Zoos und Aquarien aufsuchen, um Tiere zu töten, ist mehr als besorgniserregend.“[sic!]
Ende Dezember wurden die zoointernen Untersuchungen zum Tod der Fische eingestellt. „Nach Zusammenfassung aller Fakten“, so Slabik, „ist davon auszugehen, dass eine nicht definierbare Substanz ins Becken gelangte“, die allerdings in den „zurückgestellten Wasserproben nicht mehr nachweisbar“ sei. Bevor man neue Haie anschaffe, wolle man deshalb die Überwachung des Aquarienhauses optimieren: „Wir arbeiten aktuell bereits an einer Aufrüstung unserer bestehenden Sicherheitssysteme, die die Anlage auch vor einem unbefugten Zugriff durch Dritte mit modernsten Mitteln schützen sollen.“
Die Frage bleibt wohl dauerhaft ungeklärt, ob man tatsächlich keinen technischen Defekt in den hochkomplexen Filter- und Aufbereitungsanlagen des Aquariums fand oder ob man solchen einfach abstritt und dafür das Gerücht streute, Tierrechts-aktivisten hätten etwas mit dem Tod der Fische zu tun.
Colin Goldner
TIERBEFREIUNG #99, Juni 2018