"Arche Noah-Zoo" Braunschweig
Der Braunschweiger Zoo ist eine jener urbanen Familienfreizeiteinrichtungen – Kinderspielplatz mit Klettergerüsten, Rutschen und Schaukeln samt preisgünstigem Gastrobetrieb sowie ein paar drum herum angelegten Tiergehegen -, wie es sie vielhundertfach gibt hierzulande.
Auf den ersten Blick erscheint der Braunschweiger „Arche-Noah-Zoo“ in der Tat als großangelegter Abenteuerspielplatz, auf dem Kinder frei herumtollen können und von den beaufsichtigenden Muttis und Omis nicht beaufsichtigt werden müssen, da sie auf dem ausbruchsicher umzäunten Zoogelände nicht verlorengehen können. Für sie selbst, die Muttis und Omis, gibt es ein zooeigenes Café mit sonnenschirmüberdachten Außenflächen, auf denen sie gemütlich Kaffee und Kuchen einnehmen und mit anderen Muttis und Omis über Gott und die Welt plaudern können. Vatis und Opis können auf einem eigenen Grillplatz selbst mitgebrachtes „Grillgut“ zubereiten; zudem gibt‘s eine Art Schnellimbiss für Currywurst mit Pommes sowie einen mobilen Waffel- und Bratwurststand: der ideale Ort für den Sonntagnachmittagsausflug mit der ganzen Familie. Dass da in ihrerseits ausbruchsicher umzäunten Gehegen noch ein paar Tiere herumstehen, ist eher nebensächlich. Der obligate Rundgang vorbei an einer Handvoll Käfigen, Tierhäusern und Außengehegen ist in zwanzig Minuten absolviert, dann geht’s auf einen der Spielplätze beziehungsweise ins Caféhaus oder zum Grillen.
Vom Schuhgeschäft zum Privatzoo
Der Braunschweiger Zoo wurde Mitte der 1960er von einem örtlichen Schuhhändler begründet, der seit je seine Verkaufsräume in der Braunschweiger Innenstadt mit lebenden Tieren dekoriert hatte. In winzigen Käfigen hatte er Reptilien, Vögel und sogar kleine Affen zur Schau gestellt. Mit diesen Tieren als Grundstock eröffnete er 1965 am südlichen Stadtrand einen kleinen Privatzoo, den er 1968 an einen anderen Hobby-Tierhalter weiterverkaufte. Der Tierbestand auf dem knapp 1,5 Hektar großen Gelände wurde erheblich erweitert, so dass der Zoo noch im selben Jahr vom zuständigen Ministerium als besonders förderwürdige „kulturelle Einrichtung“ anerkannt wurde.
1978 wurde der Zoo zum zweitenmal verkauft, diesmal an eine schleswig-holsteinische Investoren-GmbH, die zwei Jahr zuvor in Grömitz an der Ostsee bereits einen Exotenzoo eröffnet hatte (und ein paar Jahre später einen dritten Zoo im ostniedersächsischen Landkreis Helmstedt dazukaufte). Der Tierbestand in Braunschweig wurde erneut erweitert: in absurd beengten Käfiganlagen wurden Exoten wie Zebras, Nasenbären, Pumas und sogar Schimpansen gehalten. 1996 wurde die Zoofläche mit freundlicher Hilfe der Stadt auf etwa 2,5 Hektar vergrößert, zugleich wurden weitere Tierarten angeschafft.
Heute hält der Zoo rund 350 Tiere aus 60 Arten vor, darunter Tiger, Geparden, Lemuren, Klammer- und Kapuzineraffen, dazu verschiedene Papageien- und Eulenarten, Keas, Leguane, Schildkröten und Pythons; auch Trampeltiere, Hausesel und Shetlandponies (die von Besucherkindern gefüttert werden und auf denen sie reiten dürfen). Überdies im „Streichelgehege“: Schafe, Zwergziegen und Hauskaninchen. Gänzlich indiskutabel ist die Unterbringung zweier Magots (“Berberaffen“) in einem Käfigabteil, das offenbar noch aus den Anfangstagen des Zoos stammt.
Die Gehege- und Warmhäuser der Tiere sind überwiegend in „Heimwerkerarbeit“ entstanden und sehen auch genau so aus. Obgleich Mitglied der Deutschen Tierparkgesellschaft (DTG) unterschreitet der Braunschweiger Zoo die in namhafteren Einrichtungen übliche (wenngleich auch dort völlig unzureichende) Zootierhaltung erheblich.
Ein geplantes Löwenhaus, errichtet in erster Linie aus Spendengeldern und über Eigenleistung freiwilliger Helfer, steht seit Jahren im Rohbau herum, von ebenfalls seit Jahren geplanten neuen Anlagen für Lemuren und Makaken ist noch überhaupt nichts zu sehen. Hingegen wurden die Kinderbespaßungsanlagen in den letzten Jahren um einen acht Meter hohen Kletterturm samt Tunnelrutsche, drei Kletterbaumhäuser sowie eine asphaltierte Freifläche für (Münz-)Autoscooter ergänzt.
Colin Goldner
TIERBEFREIUNG 113/2022