Zoo Duisburg

Schon der Eingangsbereich des Zoos strahlt schiere Trostlosigkeit aus

Friedhof der Zootiere

 

Gehäufte Todesfälle im Zoo Duisburg

 

Der Duisburger Zoo wurde 1934, ganz im Geiste der Zeit, als „Heimattiergarten“ begründet. Von bescheidenen Anfängen auf einer Fläche von kaum mehr als einem Hektar entwickelte er sich in rasantem Tempo fort, so dass sich das Areal vier Jahre später schon fast verzehnfacht hatte. Neben der „heimischen Tierwelt“ wurden ab 1935/36 auch schon Berberaffen und Löwen gehalten  Im Zuge des Zweiten Weltkrieges wurden die Gehegeanlagen nahezu vollständig zerstört, nur ein paar Tiere überlebten.

 

Schon wenige Monate nach Kriegsende wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Die ersten ab 1946 gezeigten Tiere waren „Leihgaben“ aus dem Münchner Tierpark Hellabrunn. Bald wurden erste Großprojekte in Angriff genommen, 1951 entstand ein Aquarienbau, 1953 ein Elefanten- und Giraffenhaus. 1959 wurde eine TierparkAG begründet, als deren Hauptaktionärin die Stadt Duisburg zeichnete; zugleich wurde das Zoogelände auf die bis heute bestehende Größe von knapp 16 Hektar erweitert.

 

Auf dem jenseits einer Stadtautobahn neu hinzugewonnenen Gelände  - der Zoo wird insofern der Länge nach in zwei Hälften geteilt - wurde 1962 das sogenannte „Äquatorium“ eröffnet, das seinerzeit als „größtes Affenhaus der Welt“ gefeiert wurde, gefolgt 1965 vom „ersten Delfinarium in einem deutschen Zoo“. 1968 wurde ein zweites Delfinarium eröffnet, 1995 als „modernstes überdachte Delfinanlage Europas“ gar ein drittes; zwei- bzw. dreimal täglich finden hier Delfinshows statt. Mit Beginn der Haltung von Koalas im Jahr 1993 habe man „ein weiteres bedeutendes Alleinstellungsmerkmal“ etabliert, desgleichen mit einer Anlage für madagassische Frettkatzen oder dem Bau einer als „Rio Negro“ bezeichneten Tropenhalle, in der als „letzter Vertreter seiner Art außerhalb Südamerikas“ ein einsamer Amazonasdelfin gehalten wird.

 

Insgesamt hält der Zoo heute etwa 4.500 Tiere aus 350 Arten vor. Die Besucherzahlen liegen, offiziellen Angaben zufolge, bei über einer Million pro Jahr (tatsächlich liegen sie erheblich darunter, mit obendrein rückläufiger Tendenz). Wie die meisten anderen Zoos des Landes arbeitet auch der Zoo Duisburg nicht kostendeckend, er wird jährlich mit Millionenbeträgen aus öffentlichen Kassen subventioniert. Gleichwohl leistet man sich einen Zoodirektor, dessen heillos überzogenes Monatsgehalt von 12.500 Euro (zuzüglich Pensionsrückstellungen) dem eines Ministerialdirektors entspricht. Nachdem Ende 2012 der Energieriese RWE seine jährlichen Zuschußzahlungen in Millionenhöhe einstellte und auch der Sponsorenvertrag mit Air Berlin auslief, titelten örtliche Medien, über dem Zoo kreise bereits der Pleitegeier. Schön wäre es.  Um dem massierten Besucherrückgang entgegenzuwirken läßt der Zoo sich allerhand einfallen. Für Kinder werden zwei Spielplätze mit „Piratenschiff“ bzw. „Kletterparcour“ vorgehalten, 2011 wurde zudem eine sogenannte „Erlebniswelt“ eröffnet, in der sich ein Schaubauernhof mit heimischen „Nutz“tieren sowie ein „afrikanischer Kral“ vorfinden; dazu ein „Entdeckerhaus“ und ein eigener „Streichelzoo“. Darüberhinaus gibt es zahlreiche Sonderveranstaltungen wie „Kindernachtsafari“, „Lagerfeuer mit Stockbrot“ oder „Adventbasteln“; jeden Sonntag können sich „Besucherkinder ein Tiergesicht schminken“ lassen. Auch für Erwachsene gibt es Sonderveranstaltungen wie „KungFu vor exotischer Tierkulisse“, den „ADAC-Event-Truck“ oder eine „Ferrari-Show“, bei der, wie der Zoo auf seiner Website schreibt, „neben den vielen schnellen Tieren, wie Ren(n)tieren, Antilopen und Afrikanischen Wildhunden an verschiedenen Stellen im Zoo auch äußerst schnelle Autos " zu besichtigen sind.

 

Versiffte Gitterkäfige

 

Um von einer Hälfte des Zoos zur anderen zu gelangen, muß man die sechsspurige Stadtautobahn (A3) auf einer Fußgängerbrücke überqueren. Auf dem jenseitigen Areal findet sich besagtes „Äquatorium“, ein schmuckloser Betonkomplex, bestehend aus drei ineinander übergehenden Atrien mit insgesamt 16 jeweils im Karree angeordneten Käfigen unterschiedlicher Grundflächen. Im Laufe der Jahre wurden Tiere dutzender verschiedener Arten darin gehalten, denen allenfalls gemein war, dass sie aus äquatorialen Gegenden stammten. Derzeit sind im eingangsnahen Atrium in vier Käfigen Gorillas, Orang Utans, Dscheladas und Brazzameerkatzen untergebracht, im mittleren Atrium in fünf Käfigen Gibbons, Löwenäffchen, Bartaffen, Stummelaffen usw. und im eingangsfernen Atrium in sieben Käfigen eine Reihe weiterer Kleinaffen, teils vergesellschaftet mit Schildkröten, Gürteltieren etc. Komplettiert wird das „Äquatorium“ durch ein Becken für Zwergflusspferde im Eingangsbereich sowie zwei Volieren für australische Papageien und sonstig exotische Vögel.

Bild des Jammers: Orang Utan-Mutter versucht ihrem Baby das Klettern beizubringen

Die gesamte Anlage macht einen extrem heruntergekommenen Eindruck, allem Anschein nach wurde sie in den mehr als 50 Jahren ihres Bestehens nie überholt (gleichwohl der Zoo Gegenteiliges behauptet). Die Unterbringung der derzeit neun Gorillas und fünf  Orang Utans in viel zu kleinen, versifften Käfigabteilen spricht dem bundesministeriellen Säugetier-gutachten Hohn, das Größe und Ausstattung der Gehege in Zoos vorgibt. Noch nicht einmal die wesentlich laxeren Anforderungen des Weltzooverbandes (WAZA) werden erfüllt, dem der Duisburger Zoo als Vollmitglied zugehört. Die Lebensbedingungen der sonstigen im „Äquatorium“ gehaltenen Tiere sind um nichts besser.

 

Erst seit 2002 verfügen die Gorillas über ein Außengehege, das sie bei günstiger Witterung stundenweise aufsuchen dürfen. Ein paar Jahre später wurde auch für die Orang Utans ein Außengehege eingerichtet, das es bis dahin für sie nicht gab. Die winzigen, in der Regel vollverfliesten bzw. mit Glasbausteinen voneinander abgetrennten Außenkäfige, mit denen die sonstigen Affen des „Äquatoriums“ sich bis heute begnügen müssen, geben eine Vorstellung davon, unter welch katastrophalen Bedingungen auch die Großen Menschenaffen bis vor kurzer Zeit gehalten wurden. Kein Wunder, dass bei den „Nachzuchten“ wiederkehrend massive Probleme auftraten: immer wieder nahmen Orang Utan-Mütter ihre Babies nicht an, so dass die Jungtiere Suma, Asia, Tuan und Thai „handaufgezogen“ werden mussten; hinzu kam eine Reihe mysteriöser Todesfälle: 2008 starb das zweieinhalbjährige Orang Utan-Mädchen Cili, 2011 kamen kurz nacheinander die einjährige Masaja und ihre knapp zwölfjährige Halbschwester Jambi „aus unerklärlichen Gründen“ zu Tode. Konsequenz? Keine, außer dass man Anette, die Mutter der verstorbenen Jungtiere, in einen anderen Zoo abschob.

 

Vorsintflutliche Dressurshows

 

Eine fatale Rolle spielte und spielt der Zoo Duisburg auch in der Haltung von Delfinen. Nachdem die seit 1965 im zooeigenen Delfinarium vorgeführten Dressurshows mit Großen Tümmlern sich als umsatzträchtige Publikumsmagneten erwiesen - der 1963 vorgestellte Kinofilm „Flipper“ und die nachfolgende TV-Serie gleichen Titels hatten weltweit einen ungeheueren Delfinhype ausgelöst -, wurde 1968 ein weiteres Delfinarium gebaut; zugleich wurde das erste Delfinarium zu einem „Walarium“ umgerüstet, in dem Belugas (=Weißwale), Jacobita-Delfine und Amazonas-Flussdelfine untergebracht wurden, die der seinerzeitige Zoodirektor Wolfgang Gewalt in eigenen „Fangexpeditionen“ höchstpersönlich für den Duisburger Zoo eingefangen hatte. 2004 wurde das Walarium aufgrund gehäufter Todesfälle geschlossen.

Trotz allen Infektionsrisikos: Geburtstagskinder werden von Delfinen durchs Becken gezogen

Die Shows mit den Großen Tümmlern hingegen liefen so erfolgreich weiter - zusätzlich zum Zooeintritt wurden und werden eigene Eintrittsgebühren erhoben* -, dass 1995 in Erweiterung des bisherigen Delfinariums die „modernste überdachte Delfinanlage Europas“ errichtet wurde. Bis heute werden auf beengtestem Raum bis zu neun Delfine gehalten, die 365 Tage pro Jahr mehrmals täglich zu Dressurshows herangezogen werden. Seit Jahren erheben Tierschützer und Tierrechtler massiven Protest gegen die Duisburger Delfinhaltung (bzw. gegen die Gefangenhaltung von Delfinen überhaupt): Nach Angaben des Wal- und Delfinschutz-Forums (WDSF) seien in Duisburg seit Mitte der 1960er mindestens 60 Delfine und Wale gestorben, keiner davon aus Altersgründen. Von 27 „Nachzuchten“ im Duisburger Delfinarium waren fünf Totgeburten, zwölf Neugeborene starben innerhalb der ersten 13 Lebenstage; ein Jungtier starb nach 67 Tagen, ein weiteres nach zwei Jahren. Der prominente Delfinschützer und Oscar-Preisträger Richard O’Barry - in den 1960ern als „Flipper“-Trainer tätig - bezeichnete den Duisburger Zoo insofern als den „vermutlich größten Delfinfriedhof  Europas“. Seit je würden Todeszahlen und Todesursachen vertuscht, auch Daten zur Medikation der Tiere (Antibiotika, Beruhigungsmittel, Psychopharmaka etc.) würden notorisch geheimgehalten bzw. erst nach richterlicher Anordnung und auch dann nur in Teilen veröffentlicht. Zum Artenschutz trage ein Delfinarium nichts bei, ebensowenig zu zoologischer Bildung und Aufklärung.  Obwohl der Duisburger Zoo aufgrund der nachhaltigen Öffentlichkeitsarbeit vor allem des WDSF in den letzten Jahren einen deutlichen Einbruch seiner Besucherzahlen zu verzeichnen hatte, will er, im Gegensatz zum Allwetterzoo Münster, der die Haltung von Delfinen Anfang 2013 aufgab, weiter an seinem Delfinarium festhalten; und das, obgleich Fachleute aus aller Welt sich dagegen aussprechen und mittlerweile mehr als 70 Prozent aller Deutschen den Betrieb von Delfinarien ablehnen. Bis auf die Zoos Duisburg und Nürnberg haben sämtliche der ursprünglich zwölf Delfinarien in Deutschland in den letzten Jahren ihren Betrieb eingestellt.

 

Nicht unerwähnt bleiben darf letztlich das Risiko, dem Kinder, die bei Geburtstagsfeiern von einem Delfin im Schlauchboot durch das Becken gezogen werden, durch die hohe Belastung des Beckenwassers mit Coli-Bakterien (aufgrund der steten Defäkation der Tiere) ausgesetzt sind. Trotz aller Warnungen steht das „Bootfahren“ weiterhin im Geburtstagsangebot des Zoos.

 

 

Orang Utan hinterrücks erschossen

Am Montag, 31.08.2015 gegen 18:30 Uhr wurde Orang Utan Nieas (26) im Zuge eines angeblichen Ausbruchsversuches von Zoopersonal erschossen. Wie Medienberichten zu entnehmen war, konnte Nieas aufgrund eines nicht ordnungsgemäß verschlossenen Schiebers aus seinem Käfig im „Äquatorium“ entweichen und über eine Dachluke ins Freie gelangen. Er irrte dem Vernehmen nach zunächst orientierungslos umher und begab sich letztlich an den unweit des „Äquatoriums“ liegenden Außenzaun des Zoogeländes. Beim Versuch, den Zaun zu überklettern, wurde er erschossen.

Die Behauptung des Zoos, es habe ein den Todesschuß rechtfertigender Notfall vorgelegen, da Nieas nach Übersteigen des Begrenzungszaunes in das Stadtgebiet Duisburg hätte gelangen und dort Menschenleben gefährden können, entbehrt jeder Sinnhaftigkeit. Hinter dem Begrenzungszaun liegt eine wenig befahrene und anliegerfreie Einbahn-/Nebenstraße. Wäre der Orang Utan mittels eines Teleinjektionsgerätes immobolisiert worden - wie dies bei einem zweiten Orang Utan, der zeitgleich mit Nieas aus dem Innengehege entwichen war, problemlos bewerkstelligt werden konnte  -, hätte er nach Übersteigen des Zauns nicht mehr weit laufen können, zumal Orang Utans am Boden sehr schwerfällig sind. Mit modernen Teleinjektionsgeräten („Narkosegewehr“), wie Zoos sie üblicherweise vorhalten, kann auf bis zu 60 Meter Distanz sehr zielgenau geschossen werden, insofern wäre eine Immobilisierung des Tieres gefahrlos möglich gewesen. Selbst mit einem simplen Teledart („Narkoseblasrohr“), das auf Distanzen bis zu 20 Meter eingesetzt werden kann, wäre das machbar gewesen; zumindest hätte man es versuchen können und müssen. Eine Betäubung bzw. Immobilisierung mit Xylarin/Ketamin, wie es in vergleichbaren Fällen eingesetzt wird, tritt nach wenigen Minuten ein.
 

Offenbar verstrich zwischen dem Entdecken des „Ausbruches“ und der Tötung des Tieres erhebliche Zeit, in der ein entsprechendes Teleinjektionsgerät hätte beschafft (bzw. nach der Immobilisierung des zweiten Orang Utan nachgeladen) werden können. Es verstrich sogar soviel Zeit, dass ein Großaufgebot an Polizeikräften und Feuerwehr an den Zoo beordert werden konnte, von dem besagte Einbahn-/Nebenstraße problemfrei hätte abgesperrt werden können (was im Übrigen ein einzelner Zoomitarbeiter hätte machen können).

 

Besucher waren zu keinem Zeitpunkt gefährdet, da der „Ausbruch“ sich nach Schließung des Zoos ereignete. Und selbst wenn ein akuter Notfall vorgelegen hätte und der Einsatz einer scharfen Waffe tatsächlich „alternativlos“ gewesen wäre, wie Zoodirektor Achim Winkler behauptet, hätte man den Orang Utan ins Bein schießen können, um ihn am Weiterlaufen zu hindern. Die Tötung des Tieres war völlig unbegründet und stellt insofern einen strafbaren Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Bei der Staatsanwaltschaft Duisburg wurde daher Strafanzeige gegen den verantwortlichen Leiter des Tiergartens erstattet, auch gegen den/die zuständige/n Zootierarzt/ärzte sowie den/die AngestellteN des Zoos, der/die den tödlichen Schuß abgegeben hat. Das macht Nieas zwar nicht wieder lebendig, wird aber der speziesistischen Allüre der Zoobetreiber, die sich zu Herren aufspielen über Leben und Tod, vielleicht ihre Grenzen aufzeigen.

 

Presseberichten zufolge plant der Zoo, Nieas selbst über den Tod hinaus zu verwerten: er soll ausgestopft und in einem Showroom ausgestellt werden.

Colin Goldner

Tierbefreiung #89, Dez.2015

 

* Nachtrag: Die gesonderte Eintrittsgebühr ins Delfinarium ist mittlerweile Bestandteil der (insofern erhöhten) allgemeinen Eintrittsgebühr.