Zoo Krefeld

Nachtsafaris und Märchenlesungen

 

Der Zoo Krefeld

 

Schon ab 1877 hatte es in Krefeld einen als „Crefelder Thiergarten“ bezeichneten Privatzoo gegeben, der mit einer Rollschuhbahn und regelmäßigen Konzertveranstaltungen als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Stadt galt. Noch vor dem 1. Weltkrieg wurde der Zoo aufgelöst, 1938 aber auf Weisung des seinerzeitigen NSDAP-Oberbürgermeisters neu begründet. Neben Tieren aus mehr als 40 Arten wurde eine umfangreiche Sammlung ausgestopfter Wildtiere gezeigt; dazu gab es Jagdtrophäen aller Art zu besichtigen.

 

Während des 2. Weltrieges wurde der Zoo fast völlig zerstört, Anfang der 1950er aber über privates Engagement Krefelder Bürger wiederaufgebaut. In den 1960er und 70er Jahren wurde der Arten- und Tierbestand über Zukauf einer Vielzahl exotischer Tiere erheblich erweitert, auch das Gelände wurde auf die heutige Größe von etwa 13,5 Hektar arrondiert.

 

Mit dem Krefelder Zoo ist das Bundesland Nordrhein-Westfalen dichter mit Zoos besetzt als jede andere Bundesland (und vermutlich jede andere Region weltweit): allein 11 Großzoos sind hier angesiedelt und konkurrieren um zahlende Kundschaft (Aachener Tierpark, Tierpark&Fossilium Bochum, Zoo Dortmund, Aquazoo Düsseldorf, Zoo Duisburg, ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen, Tierpark Hamm, Zoo Krefeld, Allwetterzoo Münster, NaturZoo Rheine und Zoo Wuppertal), dazu dutzende kleinerer Einrichtungen.

 

Der Krefelder Zoo wird seit 2005 als gGmbH betrieben, deren Gesellschaftsanteile zu  74,9 % von der Stadt Krefeld und zu 25,1 % von einem privaten Förderverein Zoofreunde Krefeld e.V. gehalten werden. Der rund 1000 Individuen umfassende Tierbestand zeige, wie der Zoo verlautbart, einen „Querschnitt zootypischer Arten“, insbesondere aber Tiere aus dem tropischen Süd- und Mittelamerika sowie der afrikanischen Savanne; weitere Schwerpunkte liegen auf der Haltung Großer Menschenaffen, von Großkatzen und Tropenvögeln. Die Besucherzahlen bewegen sich nach Angaben des Zoos um die 500.000 pro Jahr (tatsächlich liegen sie erheblich darunter).

 

Eine „Zooschule“ bietet Unterrichtseinheiten für Kindergruppen jeder Altersstufe an, dazu gibt es Nachtsafaris, Lichterumzüge, Märchenlesungen oder gemeinsames „Warten auf das Christkind“; selbstredend werden auch Kindergeburtstage ausgerichtet (inklusive Ziegenfüttern und Schlangeanfassen). Für Erwachsene gibt es Candle-Light-Dinners vor tierischer Kulisse oder Sonderveranstaltungen zum Valentinstag (mit „romantischer Zooführung zum Liebesleben der Zootiere“).

 

Der Krefelder Zoo macht trotz der in den letzten Jahren verschiedentlich vorgenommenen Neu- und Erweiterungsbauten einen insgesamt eher heruntergekommenen Eindruck. Einzelne Gehege scheinen seit den 1960er Jahren nicht überholt oder modernen Erfordernissen angepasst worden zu sein. Der Zustand etwa des Elefantenhauses oder der Seelöwenanlage ist indiskutabel.

 

Im Zentrum der Stadt gelegen ist der Zoo von zwei Hauptverkehrsstraßen umgeben, deren Lärm in jeden Winkel vordringt. Zudem grenzt das Zoogelände unmittelbar an ein Fußballstadion, gegen dessen enorme Lärmentwicklung bei Spielen des örtlichen KFC Uerdingen die Tiere durch nichts geschützt sind. Einige der Tiere können direkt auf das Spielfeld oder das anschließende Trainingsgelände schauen.

King-Kong-Optik

 

Das im Jahre 1975 errichtete Menschenaffen- haus stellt sich als sogenanntes „Tropenhaus“ vor, das ein Außengehege nicht für nötig erachtet. Dem Vernehmen nach bietet es ein „in sich geschlossenes Regenwaldökosystem“, das - angeblich - die natürlichen Lebensbedingungen der darin gehaltenen Tiere weitaus besser simuliert als jede Freianlage. Tatsächlich wird das „Regenwaldökosystem“ in der völlig veralteten Anlage nicht einmal ansatzweise gewährleistet, gleichwohl werden seit Jahren und Jahrzehnten Gorillas, Orang Utans und Schimpansen in dem rundum geschlossenen Betonbunker gehalten (derzeit 3/6/6 Tiere). Zur Erzeugung von „Tropenwaldatmosphäre“ sind die Besuchergänge mit Grünpflanzen dekoriert, in den Tiergehegen selbst finden sich ein paar Totholzstämme, künstliche Felsen sowie holzfarben angestrichene Stahlrohrklettergerüste. Aus „atmosphärischen“ Gründen werden zudem einige Vögel und Flughunde vorgehalten.

 

Die vier Einzelgehege der Menschenaffen - die Gorillas verfügen über eine Fläche von 200qm, die Schimpansen über 250qm und die Orang Utans (in zwei voneinander getrennten Gehegen) über 300qm - sind zur Besucherseite hin durch einen etwa 4,5 Meter tiefen Betongraben getrennt, der von der Gehegeseite her über vier Betonstufen zugängig ist. Die Gehege erscheinen dadurch optisch größer, als sie tatsächlich sind. Die Betongräben werden von den Affen auch als Toilette benutzt, die scharfkantigen Betonstufen bergen insofern ein hohes Verletzungsrisiko. Die einzelnen Gehege sind mit Betonwänden voneinander abgetrennt, die rückwärtigen Wände sind teils mit Holzrandbrettern in King-Kong-Optik kaschiert. Versteck- oder Rückzugsmöglichkeiten gibt es nicht, ebensowenig nennenswertes Spiel- oder Beschäftigungsmaterial. Die auf nacktem Beton gehaltenen Tiere zeigen durchwegs schwere Verhaltensauffälligkeiten. Gleichwohl heißt es auf der Website des Zoos: „Im naturnahen Gehege mit dem angenehmen tropischen Klima fühlen sich die dort lebenden Orang-Utans, Schimpansen und die Gorilla-Seniorengruppe so richtig wohl.“

 

Autoverkehr beobachten

 

Im Mai 2012 wurde nach jahrelanger Planung und Bauzeit ein neues Gorillahaus mit angeschlossenem Freigehege eröffnet. Das Innengehegehaus weist auf einer Netto-Grundfläche von etwa 250qm mehrere voneinander abtrennbare Räume auf, die mit erhöhten Sitzpodien und verschiedenen Rückzugs- und Versteckmöglichkeiten ausgestattet sind. Darüberhinaus ist es mit den üblichen Seilen und Hängematten ausgestattet, der Boden ist mit Mulch bedeckt. Für die derzeit darin gehaltenen fünf Gorillas – zwei davon lebten bis zur Eröffnung der neuen Anlage im alten „Tropenhaus“, ein dritter wurde aus einem dänischen Zoo dazuerworben, zudem gibt es zwei 2013 bzw. 2015 geborene Jungtiere - entspricht der zur Verfügung stehende Raum den bundesministeriellen Vorgaben, für die von der Zooleitung geplante Aufstockung auf bis zu 10 Tiere hingegen reicht er unter keinen Umständen aus.

 

Das gleiche gilt für das neue Außengehege, das mit einer Fläche von etwa 1200qm allenfalls für fünf Gorillas Platz bietet. Das hügelig gestaltete Gelände weist Naturboden auf, einen flachen Teich mit Frischwasserzulauf, verschiedene Totholz- und Felsinstallationen einschließlich eines Termitenhügels aus Beton sowie ein paar mit elektrischem Weidezaundraht gegen Emporklettern gesicherte Lebendbäume. Ansonsten wurde das als „Gorillagarten“ bezeichnete Außengehege direkt an einer extrem lauten Hauptverkehrsstraße (B57) angelegt, von der es nur durch eine etwa 5 Meter hohe Betonwand in Felsoptik getrennt ist. Ob und wie die Tiere mit dem stetig anbrandenden Verkehrslärm zurecht kommen, war offenbar keine Überlegung wert. Auf der Website des Zoos wird die völlig ungeeignete Lage zu einem Vorteil für die Tiere umgedeutet, die im Innengehege ein „neues Hobby“ entdeckt hätten: „Fernsehen: Die Weibchen lieben es, durch ein schmales Fenster stundenlang den Autoverkehr zu beobachten.“ Ähnlicher Wert wird dem benachbarten Fußballgelände zugemessen, auf das die Tiere blicken können.

 

Vierzig Jahre auf nacktem Beton

 

Der mit viel Presserummel neueröffnete „Gorillagarten“ – Kosten 2,3 Mio Euro - stellt unbestreitbar eine Verbesserung dar im Vergleich zur indiskutablen Haltung der Tiere im alten „Tropenhaus“. Allerdings nur für die beiden jungen Gorillafrauen, die dorthin umziehen konnten (ungeachtet des Umstandes, dass sie gewaltsam aus ihrer bisherigen Gruppe herausgerissen wurden); und auch nur, solange die Pläne der Zooleitung, den Besatz der neuen Anlage auf bis zu zehn Tiere zu erweitern, noch nicht realisiert sind. Für die im „Tropenhaus“ verbleibenden drei Gorillas hat sich außer dem Umstand, dass sie nun etwas mehr Platz zur Verfügung haben, nichts geändert, für die Schimpansen und Orang Utans schon gar nichts: sie leben nach wie vor in einem rundum geschlossenen Betonbunker ohne Zugang zu einem Freigehege.

 

Zur Rechtfertigung des Verbleibes der drei Gorillas im alten „Tropenhaus“ behauptet die Zooleitung auf eigens aufgestellten Infotafeln, es wäre „für diese alten Tiere ein Umzug in ein ganz neues Leben zu anstrengend. Sie bleiben in ihren alten Anlagen im bestehenden Affentropenhaus und freuen sich dort weiterhin auf Ihren Besuch“. Diese Behauptung ist an Zynismus kaum zu überbieten:  die drei im „Tropenhaus“ verbleibenden Gorillas waren Anfang der 1970er im Alter von zwei oder drei Jahren in Westafrika eingefangen und in den Zoo Krefeld verbracht worden. Seither leben sie auf nacktem Beton, ohne jemals wieder einen Sonnenstrahl im Gesicht oder Gras unter den Füßen gespürt zu haben. Selbstredend hätten auch diese drei in die neue Anlage mit umziehen können, was aber nicht in die Pläne des Zoos gepasst hätte, über einen neuerworbenen Silberrücken „an vergangene Zuchterfolge anzuknüpfen.“

 

Behavioral Enrichment

 

Vor dem Hintergrund zunehmender Kritik an den Haltungsbedingungen von Zootieren wurde Ende der 1990er in den USA das Konzept des sogenannten „Behavioral Enrichment“ entwickelt, das Ideen vorstellte, wie der Langeweile der Tiere (bzw. dem für Besucher unattraktiven Anblick sich langweilender Tiere) durch „Verhaltensanreicherung“ entgegengewirkt werden könne. „Beschäftigung“, so der Dachverband der Zoobetreiber (VDZ e.V.)  jüngst in einer Presseerklärung mitteilte, sei „eines der wichtigsten Elemente der modernen tiergerechten Zootierhaltung“.

 

Der Zoo Krefeld hält sich insofern für besonders modern und tiergerecht: er rühmt sich, „Deutschlands einzige Fachfrau für Tierbeschäftigung“ angestellt zu haben. Diese „Fachfrau“, eine gelernte Medizinisch-technische Assistentin und Hobbymalerin, hat von 2006 bis 2014 mit gerade einmal vier im Krefelder Zoo untergebrachten  Orang Utans gelegentliche „Malstunden“ veranstaltet, bei denen die Tiere mit Wachsmalkreiden und untoxischen Farben auf Papierbögen oder Leinwand herumklecksen durften. (Die Bilder wurden und werden über eine eigene Agentur gewinnbringend verkauft.) Nachdem die vier Orang Utans verstorben bzw. an andere Zoos verschubt worden waren, schliefen die „Malstunden“ im Krefelder Zoo ein. Seither veranstaltet die „Fachfrau“ 1-tägige Kurse "Tierbeschäftigung im Zoo", bei denen die TeilnehmerInnen Spiel- und Beschäftigungsmaterial für Zootiere basteln (Kursgebühr 180 Euro): „Aufgeschnittene Fußbälle und Papprollen dienen als Versteck für Leckereien wie Datteln, Möhren oder Paprika; Plastikschläuche werden mit Joghurt gefüllt und mit Haselnüssen verschlossen, Leinensäcke werden mit Futter befüllt und mit Knoten zugeschnürt. Das Ziel: den Weg vom Spielzeug zum Futter für das Tier möglichst lang und abwechslungsreich zu gestalten.“

 

Zusätzlicher Schau- und Erlebniswert

 

Der Begriff des „Behavioral Enrichment“ findet sich heute in praktisch jedem Zoo. Tatsächlich aber kommt nur ein minimaler Prozentsatz der vorgehaltenen Tiere - in erster Linie Bären, Elefanten, Großkatzen und Primaten - in den Genuss entsprechender „Anreicherung“. In der Praxis geht es um drei (gelegentlich ineinandergreifende) Aspekte:

 

1. Über Anreicherung ihres physischen Lebensraumes sollen die Tiere zu körperlicher Betätigung angeregt werden. Zu diesem Zweck werden die Käfige und Gehege mit entsprechenden Klettermöglichkeiten ausgestattet (Totholzstämme, Gerüste aus Holz oder Stahlrohr, Wippstangen, erhöhte Podeste, Hängematten, Seile, Feuerwehrschläuche, aufgehängte LKW-Reifen, Plastiktonnen etc.)

 

2. Über Anreicherung der sozialen Kontaktmöglichkeiten soll das Verhaltensrepertoire der Tiere erweitert werden. Zu diesem Zweck werden Tiere unterschiedlicher Spezies in ein und denselben Käfig gesetzt. Der Vorteil solcher „Vergesellschaftung“ von Tieren, deren Lebenswege sich in freier Wildbahn nie kreuzen würden, liegt ausschließlich im Blick der Besucher, die ein „lebendigeres“ und damit attraktiveres Bild zu sehen bekommen.

 

3. Über Anreicherung der Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten sollen die Tieren kognitiv angeregt werden. Es werden ihnen insofern ausrangierte Decken, Fußbälle, Gummistiefel, etc. zur Verfügung gestellt, auch Plastikflaschen, Obstkartons, leere Margarine- oder Eiscremedosen, Papiertüten, Zeitungen und was sonst die Tierwärter für geeignet halten. Auch die „Malstunden“ bei den Krefelder Orang Utans fallen in diese Kategorie.

 

Vielfach besteht das „Behavioral Enrichment“ in nichts anderem, als dass die Wärter das auszureichende Futter schwungvoll im Käfig oder Gehege verteilen, so dass die Tiere es sich vom Boden zusammensammeln müssen. Gelegentlich werden auch „Futterpakete“ präpariert oder das Futter wird im Gehege versteckt bzw. an schwer zu erreichenden Stellen aufgehängt, was die Tiere zu verstärkter Aktivität bewegen soll; wobei es augenfällig weniger um sinnvolle Beschäftigung der Tiere geht, als darum, einen zusätzlichen Schau- und Erlebniswert für die Besucher zu erzielen: die Fütterungszeiten werden in jedem Zoo groß angekündigt und gelten als Fixpunkte jedes Zoobesuchs.

 

Auch die in vielen Zoos veranstalteten Dressurshows - vor allem marine Säugetiere (Robben, Seelöwen, Delfine etc.) und Greifvögel (Falken, Adler, Eulen etc.) werden hierzu herangezogen - werden als Beiträge zum körperlichen und kognitiven „Enrichment“ der Tiere ausgewiesen. Selbst die mittlerweile standardmäßig durchgeführten „Medical- and Husbandry-Trainings“, bei denen Tiere bestimmter Arten (vor allem Menschenaffen, Bären, Seelöwen  und Elefanten) über operante Konditionierung („Klickertraining“) lernen, auf Kommando am Gehegegitter einzelne Körperteile zu präsentieren (zu Untersuchungs- oder Pflegezwecken  bzw. zur Blutabnahme), werden dem „Behavioral Enrichment“ zugerechnet, auch wenn das kognitiv wenig anspruchsvolle Training ausschließlich der medizinischen oder sonstig pflegerischen Versorgung der Tiere dient (die insofern nicht bei jeder Maßnahme in Narkose gelegt werden müssen). Die Behauptung, das Klickertraining rege die Tiere „geistig und körperlich an und vermeidet bzw. verringert Stereotypien“, ist heillose Übertreibung.

Colin Goldner

Tierbefreiung 93, Dez 2016

Brennendes Affenhaus

Inferno im Krefelder Zoo

 

In der Silvesternacht zum 1. Januar 2020 ereignete sich im Krefelder Zoo eine Brandkatastrophe verheerenden Ausmaßes, in deren Verlauf das sogenannte „Affentropenhaus“, ein 2000 Quadratmeter Innenfläche umfassendes Gebäude, komplett abbrannte. Mehr als dreißig Tiere – in  manchen Berichten ist von mehr als fünfzig die Rede – fielen dem Inferno zum Opfer, darunter fünf Orang Utans, zwei Gorillas, ein Schimpanse, drei Goldene Löwenäffchen, zwei Silberäffchen, sechs Zwergseidenäffchen sowie eine nicht genau bekanntgegebene Anzahl an Flughunden und Vögeln. >>>weiter

Wie durch ein Wunder überlebten zwei Schimpansen die Katastrophe. BALLY (46) hatte schwere Verbrennungen im Gesicht erlitten, LIMBO (26) dagegen war nur relativ leicht verletzt. Nach medizinischer Erstversorgung wurden sie in einem Absperrraum der vom Brand nicht betroffenen neuen Gorillaanlage in unmittelbarer Nachbarschaft des völlig abgebrannten „Tropenhauses“ untergebracht. In diesem bis auf ein kleines Seitenfenster jenseits eines Versorgungsganges und zwei intransparente Milchglasoberlichten fensterlosen Bunkerraum sind die beiden Schimpansen seither weggesperrt. >>>weiter