Zoo Neuwied
Wildtierknast in der rechtsrheinischen Provinz
von Colin Goldner
Gelegen am Rande der 60.000-Einwohner-Gemeinde Neuwied (nahe Koblenz) stellt der nach seinem Standort benannte Zoo den größten und umsatzstärksten Zoo des Bundeslandes Rheinland-Pfalz dar: auf einer Gesamtfläche von 13,5 Hektar werden etwa 1500 Tiere aus mehr als 180 Arten gezeigt. Eigenen Angaben zufolge verzeichnet der ganzjährig geöffnete Zoo zwischen 270.000 und 300.000 Besucher*innen pro Jahr. (Da, wie in sämtlichen Zoos üblich, auch in Neuwied BesuchE mit BesucheRn ineinsgesetzt werden, dürfte die Zahl der Menschen, die den Zoo besuchen, Mehrfachbesuche eingerechnet, tatsächlich bei unter 75.000 pro Jahr liegen.)
Begründet von einem örtlichen Agrarunternehmer auf dem erweiterten Gelände seiner Hühnermastanstalt stellte der 1970 eröffnete und seinerzeit als „Tierpark Hubertushof“ bezeichnete Zoo in erster Linie australische Wildtiere (Kängurus, Dingos, Wombats etc.) zur Schau, mit denen seit je auch Zucht und Handel betrieben wurde. 1980 wurde die gesamte Anlage verpachtet, unter dem neuen Betreiber firmierte der „Hubertushof“ offiziell als „Tierhandelszoo“, über den exotische Wildtiere jedweder Art (Elefanten, Flusspferde, Gorillas usw.) gemakelt sowie an- und verkauft wurden. Wie in einem regulären Zoo konnten die zum Verkauf stehenden Tiere gegen Entgelt auch besichtigt werden. 1985 wurde dem Pächter, angeblich aus Artenschutzgründen, die Tierhandelslizenz entzogen, der „Hubertushof“ stand vor dem Aus.
Im Zuge der sich abzeichnenden Schließung des Zoos hatten Neuwieder Bürger einen Förderverein begründet, der die Anlage letztlich übernahm und bis heute, massiv subventioniert aus öffentlichen Mitteln, ihren Fortbestand sichert. Über Spenden, Eintrittsgelder und weiterhin vorgenommenen Tierhandel wurde der Zoo in den Folgejahren kontinuierlich ausgebaut; seit je wurden und werden auch Schimpansen in Neuwied vorgehalten. Nach wie vor legt der Zoo größten Wert auf seine „Zuchtprogramme“ (v.a. Großkatzen und Strauße).
Als besondere Besucherattraktion werden Abendführungen angeboten, alljährlich am 1.Mai gibt es einen Familientag. Für Kinder werden Geburtstagsfeiern ausgerichtet, auch gemeinsames Ostereiersuchen, Laternenbasteln zu Sankt Martin und dergleichen mehr. Selbstredend wird ein Kinderspielplatz vorgehalten, dazu ein „Streichelzoo“ mit Ziegen, Schafen usw.
Die Leitung des Neuwieder Zoos obliegt einem vormaligen Biologie- und Erdkundelehrer, der, ohne weitere zoofachliche oder gar wissenschaftliche Qualifikation, seit 2011 den „Zoodirektor“ gibt. Unter seiner Ägide wurden einige der maroden Käfig- und Gehegeanlagen besuchergerecht aufgehübscht, stukturelle Verbesserungen aber gab es (bis auf den Umbau einer Geiervoliere oder den Neubau der „Zuchtanlage“ für Geparde) erkennbar nicht. Stattdessen wurde der prestigeträchtige Neubau einer 1600qm umfassenden Indoor-Anlage („Prinz-Maximilian-zu-Wied-Halle“) vorangetrieben, die nach ihrer Fertigstellung mit mehr als 300 neu hinzuerworbenen Tieren aus mehr als 20 „südamerikanischen“ Arten (Ameisenbären, Fledermäuse, Krallenaffen, Mangusten, Tapire usw.) bestückt wurde.
Winzige Volieren und Gitterkäfige
Der Zoo Neuwied stellt sich als weitläufiges Naturgelände vor, auf dessen Gesamtareal von immerhin 13,5 Hektar eine vergleichsweise geringe Anzahl an Tieren gehalten wird. Gleichwohl kommen nur ein paar wenige der rund 1500 vorgehaltenen Tiere in den Genuß größerer Außengehege. Die meisten Tiere des Neuwieder Zoos werden, zusammengedrängt auf weniger als ein Viertel des Zooareals, in Gehegen und Käfigen gehalten, die sich in Größe und Ausstattung in nichts von denen anderer Zoos unterscheiden. Ganz im Gegenteil: viele der teils winzigen Volieren und Gitterkäfige erwecken den Eindruck, als stammten sie noch aus den Zeiten des unseligen „Hubertushofes“ oder gar aus denen der davor betriebenen Hühnermast. Unter den 2016 von Sheridan bewerteten deutschen Kleinzoos belegte Neuwied mit Abstand den letzten Platz.
Um die nicht mehr schönzuredenden Besucherrückgänge aufzuhalten, wurde 2016 eine der heruntergekommenen Käfiganlagen abgerissen und an ihrer Stelle besagte „Prinz-Maximilian-zu-Wied-Halle“ errichtet. Die nach dem „berühmtesten Sohn der Stadt“, einem frühen Forschungsreisenden (Expeditionen u.a. nach Brasilien [1815-17] und „in das innere Nord-America“ [1832-34]) benannte Halle wurde mit großem Brimborium im Sommer 2018 eingeweiht; den Besucherschwund aufzuhalten vermochte sie gleichwohl nicht. Die Kosten des heillos überdimensionierten Glaskastens (mit direktem Zugang zum Zoorestaurant) beliefen sich auf 4,2 Mio Euro. Den mit 2,64 Mio größten Anteil davon trug das Land Rheinland-Pfalz, weitere 440.000 Euro steuerten Stadt und Landkreis Neuwied bei. In anderen Worten: fast drei Viertel der Gesamtkosten, sprich: 3,08 Mio Euro, wurden dem Steuerzahler aufgebürdet.
TIERBEFREIUNG #109, Dez. 2020