Zoo Ingolstadt

Hutaffe

 

Der Miniaturzoo „Wasserstern“

 

 von Colin Goldner

 

Mitten in Ingolstadt, einer 135.000-Einwohner-Stadt in Ostoberbayern, wird seit 1908 ein Zoo vorgehalten. Auch wenn - und gerade weil – dieser Zoo es in den 111 Jahren seines Bestehens nie über die Fläche eines viertel Fußballplatzes (1800qm) hinausgebracht hat, ist es wert und notwendig, ihn etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

 

Das unter dem Namen „Zoo Wasserstern“ bekannte Kleinareal wird seit je von einem eingetragenen Verein betrieben, der für Verwaltung, Kasse  und Instandhaltung der Käfiganlagen zuständig ist. Auf dem Zoogelände befindet sich insofern, einem Schrebergartenhäuschen nicht unähnlich, ein eigenes „Vereinsheim“, in dem, wie es heißt, „reges Vereinsleben“ stattfindet. Die Versorgung der schätzungsweise 250 Tiere aus mehr als 40 Arten liegt in der Hand zweier Tierpfleger (die allerdings erst kürzlich und auf behördlichen Druck hin angestellt wurden) sowie ehrenamtlicher Helfer aus dem Verein.

 

Zur Geschichte des Kleinzoos ist nur wenig herauszufinden. Bekannt ist lediglich, dass der „Zoo Wasserstern e.V.“ ursprünglich als „Gesellschaft für biologische Aquarien- und Terrarienkunde und den einschlägigen Naturschutz“ begründet worden war: als gemeinschaftlich betriebene Privatliebhaberei örtlicher Aquarien- und Terrarienfreunde. Er ist keinem der Dachverbände des Zoowesens angeschlossen.

 

Der „Zoo Wasserstern“ stellt den wohl kleinsten Zoo der Republik dar (abgesehen von den mobilen Tierschauen, die irgendwelchen Zirkussen angegliedert sind). Wer indes nun annähme, dass auf dem Mini-Areal nur ein paar gut akklimatisierte Arten vorgehalten würden, sähe sich getäuscht. Tatsächlich gibt es neben den erwartbaren Kaninchen, Meerschweinchen und Schildkröten eine ganze Reihe an „Exoten“ zu besichtigen, von Südamerikanischen Nasenbären über Weißbüschel-, Liszt-, Hut- und Kapuzineraffen hin zu Brillenkaimanen, Agamen, Schlangen – darunter, eingesperrt in winzige Glaskästen: ein Königspython und eine Madagaskarboa –, Skinks, Geckos und Pfeilgiftfröschen; dazu Hyazinth- und Gelbbrustaras, Schneeeulen, Sibirische Uhus und dutzende von Sittichen (die völlig unkontrolliert „nachgezüchtet“ und für 20 Euro pro Tier an Privat verkauft werden). Ein in einem Kellerraum vorfindliches Aquarium ist seit einiger Zeit außer Betrieb gestellt: die über 60 Jahre alten Schaukästen waren undicht geworden und der Zoo hat, trotz nicht unerheblicher städtischer Zuschüsse, kein Geld für die Reparatur.

Lisztaffe

Während der Käfig der Nasenbären, aber auch die Volieren der Uhus und Sittiche heillos veraltet und heruntergekommen sind, stammen die Gehege der Affen - zumindest der Hut- und der Kapuzineraffen - aus  jüngerer Zeit. Auch wenn die mit Glasfront versehenen Betonbunker im Vergleich zu den sonstigen Gehegen des Zoos relativ geräumig erscheinen und sogar angeschlossene Freiluftkäfige aufweisen, geben sie den jeweils vier darin vorgehaltenen Tieren viel zu wenig Platz und Beschäftigung. Bei den Hutaffen, einer aus Indien stammenden Makakenart, zeigen sich, selbst dem Laien erkennbar, gravierende Verhaltensauffälligkeiten sowie schwere (und offenbar unbehandelte) Läsionen und Bissverletzungen. Die Lisztaffen, ebenfalls schwer verhaltensgestört, sind in einem separaten und noch sehr viel beengteren Käfig untergebracht, während die Weißbüscheläffchen in einem rundum geschlossenen Innenbunker gehalten werden.

 

Als „Aushängeschild“ des Zoos galt bis vor ein paar Jahren ein Mississippi-Alligator namens MAXL. Das dreieinhalb Meter lange und mehr als 200kg schwere Reptil, das seit 1951 (!) in einem winzigen Verschlag auf dem Zoogelände gehalten worden war, verstarb 2015. Nach seinem Tod wurde ein lebensechtes Kunststoffreplikat hergestellt, das seither in dem Verschlag zu besichtigen ist, in den MAXL vierundsechzig Jahre lang eingesperrt gewesen war.

 

Auf veterinäramtliche Weisung hin hat der Zoo seinen Tierbestand in jüngerer Zeit etwas zurückgefahren: Waschbären etwa oder Meerkatzen wurden abgeschafft. Über die weiterhin bestehenden und teils eklatanten Mängel des Zoos sehen die zuständigen Behörden indes großzügig hinweg, die örtlichen Medien sowieso: letztlich gilt der Mini-Zoo als „Ingolstädter Institution“, die, seit Generationen jedem Kinde in Ostoberbayern bekannt, allein deshalb schon unter informellen Bestandsschutz gestellt ist.

 

TIERBEFREIUNG #102/März 2019