Covid-19

Infektionsherd Zoo? in:: Humanistischer Pressedienst vom 24.4.2020

Starb Orang Utan-Baby im Zoo Leipzig an Covid-19? in: Humanistischer Pressedienst vom 26.5.2020

"Machet sie euch unterthan und herrschet..." (Zoozoonosen) in: Kochen ohne Knochen #40, August 2020

Sechs Wochen kein Begafftwerden...

„Geld her oder wir töten unsere Tiere“

 

von Colin Goldner

 

Zoos zählen zu den meistbesuchten Freizeiteinrichtungen hierzulande. Sehr zu Recht wurden deshalb Zoos und zooähnliche Einrichtungen Mitte März 2020 für den Publikumsverkehr geschlossen. Allerdings nicht aus eigenem Antrieb: Während Zoos in Österreich bereits am 12.3. hin schlossen, warben hiesige Zoos noch Tage später mit angeblich risikolosem Besuch ihrer Einrichtungen. Die meisten Zoos hierzulande machten erst am 17.3. dicht, und dies auch erst auf behördliche Anordnung hin. Zugleich drängten sie vom ersten Tage an auf schnellstmögliche Wiedereröffnung. Und natürlich auf staatliche Hilfen.

 

Der „Verband der zoologischen Gärten e.V.“ (VdZ), Dachverband der 56 größeren Zoos hierzulande, trat umgehend mit der Forderung nach einem staatlichen Soforthilfeprogramm in Höhe von (vorläufig) 100 Millionen Euro auf den Plan, um die „wirtschaftlich angespannte Lage“ zu überbrücken. Andere Zooverbände sowie eine Vielzahl einzelner Zoos – in Deutschland gibt es nicht weniger als 865 Zoos und zooähnliche Einrichtungen - schlossen sich diesen Forderungen an.

 

Argumentiert wurde durchwegs mit der angeblichen Rolle der Zoos in "Artenschutz" und "Erhalt der Biodiversität", die durch die schließungsbedingten Einnahmeausfälle bedroht sei; überdies mit dem hohen Freizeit- und Erholungswert der Zoos, der deren Erhalt unverzichtbar mache. Um der Forderung nach staatlicher Soforthilfe Nachdruck zu verleihen, begannen einzelne Zoos, eine maximale Drohkulisse aufzuziehen: sollten sie keine oder nicht ausreichend Hilfsgelder bekommen, würden sie zooeigene Tiere schlachten und an andere Tiere verfüttern; beziehungsweise Zootiere vorsorglich töten, um sie nicht verhungern lassen zu müssen.

 

Ebendiese Androhung, federführend vorgetragen durch den VdZ-Zoo Neumünster, ging indes krachend nach hinten los. Anstatt wie geplant über derlei moralischen Erpressungsversuch den Druck auf die politischen Entscheidungsträger erhöhen zu können, die geforderten Gelder umgehend bereitzustellen, schwappte eine Welle öffentlicher Empörung über den Zoo Neumünster herein. Dessen Direktorin hatte von einer bereits erstellten "Rangliste" der zu tötenden Tiere gesprochen.

 

Zootiere töten?

 

Eiligst versuchte sich der VdZ in Schadensbegrenzung und verlautbarte, man sollte mit „so einem Szenario ‚Gebt uns Geld oder wir töten unsere Tiere‘ weder in die Medien noch in die Politik gehen“. Der VdZ distanzierte sich insofern nur von der Öffentlichmachung der Tötungspläne, nicht aber von diesen an sich; zumal Tötung und Verfütterung eigens dafür gezüchteter "Futtertiere" innerhalb des Zoowesens gang und gäbe ist. Seit Jahren schon tritt der VdZ dafür ein, neben solchen „Futtertieren“ (Mäuse, Hamster, Kaninchen, Schafe, Ziegen, dazu Huftiere und bestimmte Vögel) auch andere „überzählige“ Zootiere töten und verfüttern zu dürfen. Gemäß den Bestimmungen des TierSchG dürfen Zoos keine Tiere töten - mit Ausnahme besagter „Futtertiere“ - sofern sie nicht von einem nicht behandelbaren Leiden erlöst werden müssen (Euthanasie). Zoos würden sich strafbar machen, wollten sie aus anderem Grunde zooeigene Tiere töten. Der Vorstoß des Zoos Neumünster sollte insofern nicht nur eine maximale Droh- und Druckkulisse zum Abgreifen staatlicher Hilfsgelder aufbauen, sondern, gewissermaßen durch die Hintertüre, auch das im Tierschutzgesetz verankerte Tötungsverbot der Zoos aushebeln.

 

Nachdem nun der Vorstoß des Zoos Neumünster in der Öffentlichkeit so große - und in ihrer Dynamik von den Zoos wohl falsch eingeschätzte - Empörung ausgelöst hatte (selbst international wurde kritisch darüber berichtet), beeilten sich auch andere VdZ-Zoos (Köln, Hamburg, Berlin u.a.), auf größtmögliche Distanz dazu zu gehen. Der Münchner Tierpark Hellabrunn etwa bezeichnete derlei Pläne als „vollkommen absurd“. Laut Direktorin des Zoos Neumünster gibt es gleichwohl auch in anderen Zoos entsprechende "Notfallpläne" zur Schlachtung und Verfütterung von Zootieren, die ja auch in Einklang stünden mit der im „Normalfall“ üblichen Zoopraxis, sogenannte „Futtertiere“ zu schlachten und zu verfüttern.

 

Kaum hatte sich die Aufregung um den missglückten Vorstoß des VdZ-Zoos Neumünster etwas gelegt, startete der VdZ, zusammen mit anderen Zoodachverbänden, einen weiteren dringenden Appell an Bundesregierung und Bundesländer, „ein Soforthilfeprogramm für alle Zoos und Tierparks aufzulegen“. An dieser Stelle sei ein Blick auf die letztvorliegende Jahresbilanz (2018) beispielsweise  der Berliner zoologischen Einrichtungen (Zoo, Tierpark, Aquarium) geworfen, die als gewinnorientierte Kapital- bzw. Aktiengesellschaft firmieren und ohnehin fortlaufend in Millionenhöhe aus öffentlichen Geldern subventioniert werden: Eigenkapital 63,7 Mio / Anlagevermögen 60,1 Mio / Umlaufvermögen 22,9 Mio / Gewinnrücklagen 58,6 Mio / Einnahmen 32,7 Mio. Andere Zoos hierzulande sind ganz ähnlich aufgestellt. Die Forderung nach Staatsleistungen zur Überbrückung corona-bedingter Einnahmeausfälle erscheinen hier wenig angebracht.

 

Riskante Wiedereröffnung

 

Nach sechswöchiger Zwangspause durften die meisten Zoos im Bundesgebiet Anfang Mai 2020 wieder öffnen, wenngleich unter (je nach Bundesland unterschiedlichen) Einschränkungen: erlaubt war nur eine begrenzte Anzahl an Besuchern, die Tierhäuser mussten geschlossen bleiben, desgleichen die Streichelzoos, Kinderspielplätze, Kioske, Restaurants und Zooshops. Auch das Tragen von Mund-/Nasemasken (zumindest im Kassenbereich und auf den Toiletten) war verpflichtend angeordnet worden, zudem das Waschen und Desinfizieren der Hände nach dem Toilettengang. Im Kölner Zoos wurde das Pflegepersonal angehalten, zumindest bei den Affen Mundschutz zu tragen, damit die Tiere nicht angesteckt würden. In anderen Zoos gab und gibt es erkennbar noch nicht einmal das. Selbst elementarste Schutzmaßnahmen seitens des Personals, wie sie zum Schutz von Mensch und Tier auch in Vor-Corona-Zeiten schon dringend erforderlich gewesen wären – Mund-/Nasemasken und Latexhandschuhe, dazu Desinfektionsmatten vor den Käfigen – sind bis heute nicht verpflichtend eingeführt worden.

 

Unter besagten Auflagen wurde am 10.5.2020 auch der VdZ-Zoo Straubing (Niederbayern) wiedereröffnet. Keineswegs aber wurde der Zoo von sehnsüchtig diesen Tag herbeiwartenden Besucher*innen geflutet, wie die Zoos landauf, landab vorhergesagt hatten, ganz in Gegenteil: Laut Medienbericht seien „nicht einmal 300 Besucher“ am ersten Tag der Wiedereröffnung gekommen (während der Zoo bis zu 1300 hätte einlassen dürfen). Zudem hätten, wie der Zoo selbst einräumt, „viele Besucher die Maskenpflicht an Kasse und in Toiletten nicht eingehalten“.

 

TIERBEFREIUNG #117/Juli 2020